Kommentar

Zeit- und ortsflexibles „Arbeiten 4.0“

Auch in der Branche der Technischen Gebäudeausrüstung ist die Bedeutung der digitalen Transformation spürbar – nicht zuletzt durch das seit geraumer Zeit diskutierte Thema „Building Information Modeling“. Eingehend hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bereits in einem „Weißbuch Arbeiten 4.0“ mit der an die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) angeknüpften Diskussion um Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse der Zukunft (Arbeiten 4.0) befasst. Dabei hat das BMAS auch die Bedeutung der Festlegungen von Zeit und Ort sowohl für die Zusammenarbeit in Unternehmen als auch für den Alltag und das gesellschaftliche Leben der Beschäftigten betrachtet und einige richtige Feststellungen getroffen:

Positive und negative Aspekte

„Der durch die Digitalisierung verstärkte Trend zum zeit- und ortsflexiblen Arbeiten bietet Chancen auf ein selbstbestimmteres Arbeiten, neue Vereinbarkeitslösungen und einen [teilweisen] Abschied von der Präsenzkultur. Neben diesen positiven Aspekten zeigt sich jedoch auch, dass im Zuge von Homeoffice, Vertrauensarbeitszeit und potenziell ständiger Erreichbarkeit […], die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben, Arbeit und Freizeit, Arbeitsplatz und Wohnung verschwimmen kann.“ [1] Dies kann auch zu Belastungen führen und stellt insofern den Gesundheits- und Arbeitsschutz vor neue Aufgaben.

Unterschiedliche Bedürfnisse nach Flexibilität

Flexibilitätsbedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten sind nicht deckungsgleich und müssen daher entsprechend austariert werden. „Für Unternehmen spielen neben der Mitarbeiterzufriedenheit und der Positionierung als attraktive Arbeitgeber auch die Arbeits- und Kosteneffizienz, der Koordinierungsaufwand, die Servicequalität und die Verfügbarkeit von Mitarbeitern eine große Rolle. Auf Seiten der Beschäftigten sind mehr Zeitsouveränität und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie […] wichtige Vorteile.“ [2] Eine bessere Work-/Life-Balance kann dabei auch die Gesundheit positiv beeinflussen.

Unterschiedliche Bedürfnisse innerhalb einer Belegschaft

Die Erwartungen und Bedürfnisse innerhalb einer Belegschaft bei der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort sind höchst unterschiedlich. „Auf der einen Seite gibt es Gruppen von Beschäftigten, die Orts- und Zeitflexibilität als Chance für ein selbstbestimmteres Arbeiten sehen und sich daher eine individuellere Gestaltung wünschen. Auf der anderen Seite gibt es auch eine hohe Anzahl von Beschäftigten, die klar abgegrenzte und verlässliche Arbeitszeiten anstreben und Arbeit nicht mit nach Hause nehmen möchten. Daneben gibt es Gruppen von Beschäftigten, für die Flexibilitätsoptionen nicht oder nur sehr eingeschränkt realisierbar sind.“[3] Das kann gegebenenfalls auch zu Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Beschäftigten führen.

Individuelle Ansprüche vs. kollektive Regelungen

Zudem sind Spannungen zwischen individuellen Ansprüchen und kollektiven Regelungen möglich. „Hohe Identifikation mit der Arbeit, eine stark entwickelte Leistungskultur im Betrieb oder auch das Interesse an der eigenen Karriere können z.B. dazu beitragen, dass Beschäftigte gesetzliche Ruhepausen und Ruhezeiten, die zu ihrem Schutz eingerichtet wurden, als Bevormundung empfinden und ignorieren.“[4]

„Im Übrigen können sich betriebliche Notwendigkeiten und gesellschaftliche Ansprüche hinsichtlich fester gemeinsamer Zeitfenster entgegenstehen. Je mobiler und flexibler die Arbeitswelt wird, desto wichtiger werden Vereinbarungen, die gemeinsame Zeitfenster schützen – insbesondere auch Sonn- und Feiertage – und auch ein „Offline-Sein“ tolerieren.“[5]

Fazit

Die vom BMAS beschriebenen Spannungsfelder sollten Betriebs- und Tarifpartner motivieren, zu Lösungen beizutragen, die auch in Zeiten einer sich stark wandelnden Arbeitswelt einen angemessenen Ausgleich der gegenseitigen Interessen sicherstellen. Dabei sollten neue technische Möglichkeiten so eingesetzt werden, dass Festlegungen zu Arbeitszeit und Arbeitsort getroffen werden, die sowohl den sich wandelnden Bedürfnissen der Beschäftigten als auch den betrieblichen Anforderungen Rechnung tragen.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.


Quellen

1) Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Weißbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2017, S. 78. 2) Ebenda, S. 78f. 3) Ebenda, S. 79. 4) Wie Anm. 3. 5) Ebenda, S. 80f.
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