Intelligente Nahwärmenetze – Teil 2

Effiziente Energieversorgung für Kommunen und Gemeinden 

Nach Klärung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und Definitionen sowie der Darstellung verschiedener Netzstrategien im ersten Teil des Beitrags, folgt im zweiten Teil die Betrachtung der Vor-Ort-Bedingungen für einen optimalen Betrieb von Nahwärmenetzen sowie der zentralen Vorteilsargumentationen für Anschlussteilnehmer und Betreiber.

Welche Rahmenbedingungen sollten vorliegen, um eine möglichst effiziente Nutzung der regenerativen Energie-Ressourcen über ein Intelligentes Nahwärmenetz zu realisieren?

Im Idealfall wird bei der Planung eines Neubaugebietes (geringe Heizlasten moderner Gebäude), die komplette Infrastruktur (Leitungen, Bau der Straßen ec.) bereits von Anfang an mitgeplant, wobei diese Planung sich vorrangig auf ländliche Gebiete konzentrieren sollte. 

Auf dem Land gibt es tendenziell keine (zu) hohe Belegungsdichte des Netzes, da die Versorgung der Abnehmer sonst nicht sichergestellt werden kann. Die Innenstadt einer Stadt von der Größe München könnte dagegen beispielsweise nie mit kalter Nahwärme versorgt werden, da die Leitungsquerschnitte sehr groß sein müssten, um die erforderlichen Wärmemengen transportieren zu können.

Auf dem Land sollte man auf jeden Fall auch die lokal verfügbare Bioenergie mit einbinden, z.B. Biogas oder Biomasse im Bayerischen Wald. Das schafft Akzeptanz und kommt einer CO2-Neutralität schon sehr nahe. Die solaren Erträge sollte man beim kalten Nahwärmenetz am besten durch die Kombination von Photovoltaik (Strom für die Wärmepumpen) und Solarthermie (Anhebung der Netztemperatur) maximieren.

Grundsätzlich ist im Vorfeld des Aufbaus eines Nahwärmenetzes immer viel Aufklärung von Gemeinde und Betreiberseite zu leisten. Hierzu gibt es offizielle Leitfäden und einen Punkte-Plan, nach dem sich Gemeinden richten können, die einen Aufbau eines Netzes – unabhängig von der Wahl der Netzstrategie – planen.

Gibt es Beschränkungen in der Anzahl der Anschlussteilnehmer an ein „kaltes Nahwärmenetz“? Eigentlich gibt es keine Beschränkungen, die Leitungsquerschnitte dürfen nur nicht zu groß werden und ggfs. sind mehrere Quellen zu erschließen, damit die Regeneration der Kollektorfläche im Falle von Sonden oder Erdregistern zu jeder Zeit gegeben ist. In ein solches Netz kann auch an mehreren Stellen eingespeist werden. Bei gleitenden und warm/kalt Netzen sind die Erzeuger im Heizhaus an die Abnahme anzupassen – auch hier gibt es ansonsten keine Einschränkungen. Allerdings ist im Bestandsbau ein rein kaltes Netz nicht leistungsfähig genug, da die Gebäude statt 40 kWh/m2a bis zu 200 kWh/m2a an Energie benötigen – das schafft das 10-°C-Netz nicht adäquat! Hier haben die anderen Netzformen wie das bereits erwähnte Warm-/Kalt-Netz oder das gleitende Netz die Nase vorn.

Grundsätzlich ist man mit realistischen Zielsetzungen bezüglich der Reduzierung des Energieaufwands und gleichzeitiger CO2-Einsparung gut beraten. Eine seriöse Zielsetzung ist bei vielen Betreibern ein Einspareffekt von 50 % beim Energieaufwand. Die KfW schreibt für die Erlangung der höchsten Fördersätze einen Primärenergiefaktor ≤ 0,4 vor.

Der Hilfsenergieaufwand für kalte Netze ist oft höher, da Leitungen und Pumpengruppen größer zu dimensionieren sind und Volumenströme größer sind. Strahlungsverluste sinken in den kalten Netzen deutlich ab.

Technische Ausstattung eines Nahwärmenetzes

Beim kalten Nahwärmenetz ist keine Heiz- respektive Energiezentrale vorhanden. Die Energieernte erfolgt über ein Sondenfeld oder mehrere Grundwasserbrunnen. Alternativ könnten auch Gewässer, Abwasserkanäle oder auch alte Grubenschächte der Bergbauindustrie, die von selbst voll Wasser laufen, die Funktion einer Energiezentrale übernehmen. Häufig gibt es ein kleines Gebäude (Garagengröße) mit Pumpengruppen und Netz-Überwachungstechnik via Software und PC. Ansonsten wird die Wärmeenergie gleich über eine ungedämmte Leitung in die Gebäude verteilt, wo die Wärmepumpen sitzen.

Beim Kalt-/Warmen- bzw. gleitenden Nahwärmenetz gibt es eine hydraulisch günstig gelegene Heizzentrale mit einer Kombination von verschiedenen Wärmeerzeugern. Zumeist mit einer Solarthermieanlage (evtl. in Kombination mit Photovoltaik) auf dem Dach, um den „Gratisanteil“ der Sonne mitzunehmen. Dazu ein BHKW, um möglichst viel Strom selbst erzeugen zu können. Zusätzlich ein Spitzenlasterzeuger, meist ein Öl- oder Gaskessel, der die komplette Netzlast abdecken kann (Backup). Je nach Vor-Ort-Bedingungen kann diese Netzlast auch durch einen Biomassekessel abgedeckt werden.

Beschreibung der Übergabestationen beim Anschlussteilnehmer

Beim Anschlussteilnehmer steht eine kleine Wärmepumpeneinheit – auf die nötige Heizleistung des Gebäudes ausgerichtet – welche die Warmwassererzeugung und – abhängig von der Netzstrategie – die Heizlasten ganz oder teilweise abdeckt. Es gibt Varianten, bei denen in die Wärmepumpen ein Fernwärmeüberträger integriert ist, um im Nahwärmenetz die Direktübertragung auf das Heizsystem zu übernehmen. Es gibt aber auch Wärmepumpen-Typen, die diesen Vorgang in zwei  Komponenten trennen. Häufig werden diese Übergabestationen mit einem Pufferspeicher ausgestattet, um Lastverschiebung praktizieren zu können. Im rein kalten Netz kommen häufig herkömmliche Wasser-/Wasser- bzw. Sole-/Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz. Die Einsatzgrenzen solcher herkömmlichen Wärmepumpen liegen bei ca. 25 °C Quellnetztemperatur. Spezielle Wärmepumpen-Typen können auch höhere Quellnetz-Temperaturen bis 55 °C nutzen, das steigert den COP der Wärmepumpe deutlich.

Bedarfsgerechte IT-Steuerung des Nahwärmenetzes

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Effizienz eines kalten Nahwärmenetzes ist die intelligente, bedarfsgerechte Steuerung der Wärmeversorgung. Der Einsatz einer entsprechend angepassten Software kann dabei folgende Ergebnis-Optimierungen im Nahwärmnetz erzielen:

- Einsparungen in der Investitionsphase (geringere Erzeugerleistung, angepasste Infrastruktur, wie etwa Rohrdurchmesser),
- Reduktion der Wärmeverluste im Betrieb durch optimierte Steuerung,
- vorausschauender Betrieb: mittels Algorithmen wird der zukünftige Wärmebedarf errechnet und kann somit bereits im Voraus kosteneffizient und umweltgerecht zur Verfügung gestellt warden,
- Erhöhung des Anteils an regenerativen Energiequellen.

Vorteilsargumentationen für Anschlussteilnehmer

Für den Anschlussteilnehmer – unabhängig, ob integrierter Privathaushalt oder gewerblicher Kleinbetrieb – gibt es eine ganze Reihe an überzeugenden Argumentationen, welche für die Einbindung in ein intelligentes Nahwärmenetz sprechen. So muss man sich beispielsweise grundsätzlich nicht mehr um die Wärmeversorgung im Hause kümmern, da ein Nahwärmenetz grundsätzlich immer den gesamten Wärmebedarf einer Immobilie abdeckt. Zudem umgehen die Anschlussteilnehmer der ab 2021 geltenden CO2-Bepreisung, während man auf der anderen Seite dank des geringen Primärenergiefaktors eines Nahwärmenetzes ein Maximum an Förderung zulässt und zugleich das „CO2-Gewissen“ beruhigt.

Ein weiterer Pluspunkt: Geringe bis keine Wartungskosten für diese Anlagentechnik (je nach Betreibermodell), da Wärmepumpen in der Regel im Prinzip wartungsfrei sind. Auch sind die Kosten für die Wärmeversorgung klar im Vorfeld definiert und damit planbar, Wärmepreise immer für eine längere Periode abgeschlossen werden. Damit macht sich der Kunde/ Verbraucher auch nicht abhängig von den stark volatilen Märkten fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas. Und zu guter Letzt verursacht diese Lösung kaum Platz im Objekt.

Vorteilsargumentationen für Netzbetreiber

Investitions- und Fixkosten sind bei Intelligenten Nahwärmenetzen grundsätzlich vergleichbar mit dem Aufwand für ein herkömmliches Nahwärmenetz.

Kalte Netze sind durch die einfache Leitungsverlegung von günstigen, ungedämmten Rohren im ersten Schritt günstiger, dafür muss aber ein Sondenfeld erstellt werden – was die Vorteile der günstigen Leitungen wieder aufwiegt. Auch ist mehr Stromaufwand für die Wärmepumpen nötig, was die Betriebskosten dieses Netztyps deutlich steigert. Dies liegt darin begründet, dass der COP (Wirkungsgrad) einer Wärmepumpe im rein kalten Netz deutlich schlechter ist, als in Netzen, die gleitend oder durch solarthermische Unterstützung auf höherem Temperaturniveau laufen. Alle anderen smarten Netzvarianten, die auf höheren Temperaturniveaus betrieben werden, verwenden isolierte – und damit teurere – Rohre und müssen in eine Heizzentrale investieren.  Allerdings ist aus heutiger Sicht eine höhere „Fixkosten-Investition“ deutlich planbarer, als die volatilen Betriebskosten der dezentralen Wärmepumpen. Auf den Wärmepreis hat das insgesamt kaum Auswirkungen. Der ist in allen Netzvarianten (auch im klassischem Nahwärmenetz) in etwa ähnlich. Last but not least sollte noch erwähnt werden, dass durch die abgesenkte Netztemperatur die Strahlungsverluste im Netz deutlich geringer werden. Daraus resultiert letztendlich auch der wirtschaftliche Mehrgewinn aus alternativer Nahwärme.

Eine moderne Netz- und Kommunikationstechnik ermöglicht zudem die bedarfsgerechte Erzeugung von Energie, immer häufiger auch durch Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Verbrauchsanalyse, der Wettervorhersage sowie Vorausberechnung des voraussichtlichen Verbrauchs und Abrechnung mittels Mausklick. Solche Systeme können an die jeweiligen bestehenden Softwaresysteme des Contractors angebunden werden. Auch die Möglichkeiten der Überwachung (Fernwartung, vorausschauende Planung von Wartungen) machen den Betrieb eines solchen Netzes für Contractoren kalkulierbar, kostengünstig und damit überschaubar.

 

Fazit

Die Zukunftschancen für diese Art der Gebäudeversorgung sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Sektorkopplung wird hier 1:1 umgesetzt und deckt alle Bereiche ab. Dabei gelingt die 100-%-ige Loslösung von fossilen Energien bei einem zugleich möglichst hohen solaren Deckungsbeitrag.

Dennoch ist noch viel – auch politische - Aufklärungsarbeit zu leisten, damit solche Projekte leichter umsetzbar werden. Zurzeit gelten Kalte Nahwärmenetze in Deutschland immer noch eher als Nischentechnologie. Gerade einmal 15% der Heizwärme in deutschen Haushalten stammt aus Nah- und Fernwärmenetzen. Wobei die Versorgung aus kalten Netzen sicherlich deutlich unter einem Prozent liegt. Durch Fördermechanismen seitens des Bundes (BAFA-Förderung Wärmenetz 4.0) nimmt das Thema zwar jetzt deutlich an Fahrt auf. Dennoch zögern noch viele Gemeinden und Contracting-Unternehmen in diese Technik zu investieren, da gerade der rechtliche Rahmen schwierig ist, sobald es um ein Arealnetze (Strom + Wärme in Kombination) geht. Auch muss eine solche Energieversorgung sehr früh in die Planung aufgenommen werden. Dadurch entstehen lange Vorlaufzeiten sowie oft auch lange Entscheidungswege. Hier müssten in Zukunft frühzeitige positive Impulse seitens der Stadtplaner und der verantwortlichen Kommunalpolitik kommen.

Dann hätten wir gute Chancen, dass sich Kalte Nahwärmenetze von einer Pioniertechnologie zu einem etablierten Trend der ressourcenschonenden Wärmeversorgung in Deutschland entwickeln.   

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