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Die Vielfalt ist in der Gebäudetechnik angekommen

Vom Nischenthema ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Physiker Thomas Wollstein hat sich für die Neuauflage der Richtlinien-Reihe VDI 6000 rund um sanitäre Einrichtungen mit dem Thema Diversität beschäftigt.

Herr Wollstein, Sie haben mitgeschrieben bei der Neufassung der Richtlinie VDI 6000, die sich mit sanitären Anlagen befasst. Was hat die Überarbeitung notwendig gemacht?
Die sechs Blätter der letzten Ausgabe sind durchschnittlich zehn Jahre alt. Der Sanitärbereich ist zwar nicht von sich schnell entwickelnder Hochtechnologie geprägt, dennoch ändern sich in so einer langen Zeitspanne einige Dinge.

Was ist die wichtigste Neuerung in der Richtlinie?
Im Ausschuss hat sich herauskristallisiert, dass wir das Thema Diversität, also die Vielfalt, anpacken müssen. In Teilen des gesellschaftlichen Miteinanders ist das schon lange passiert, in der Regelsetzung bisher nicht.

Kreativer Versuch mit traditioneller Symbolik
Foto: ©John – stock.adobe.com

Kreativer Versuch mit traditioneller Symbolik
Foto: ©John – stock.adobe.com

Warum ist das Thema bei sanitären Anlagen von Bedeutung?
Weil die binäre Aufteilung zu einem Zwangsouting der Menschen führt. Etwa wenn jemand in Frauenkleidung in der Öffentlichkeit das WC für Herren aufsuchen muss.

Wie haben Sie sich dem Thema angenähert?
Wir haben Expertise herangezogen. In diesem Fall von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Im Ausschuss haben wir sie mit Sanitärtechnik-Fachleuten zusammengebracht, um technische Anforderungen und persönliche Bedürfnisse in Einklang zu bringen.

Was sind die Ergebnisse? Wie sieht eine gut gemachte, nicht-binäre Toilette aus?
Ein Universal-Design-WC kann jeder Mensch aufsuchen. Zum Beispiel könnte man im eigentlichen Toilettenraum alle WC-Becken und Urinale in Kabinen umsetzen. An der Tür steht dann nicht „Damen“ und „Herren“. Auf jeder Kabine prangt eine Abbildung oder ein Piktogramm des Sanitärgegenstands, den die Benutzer vorfinden.

Rein sprachliche Lösung
Foto: ©Studio-FI – stock.adobe.com

Rein sprachliche Lösung
Foto: ©Studio-FI – stock.adobe.com

Haben Sie die neuen Empfehlungen für Unisex-Toiletten in alle Blätter der neuen Richtlinie VDI 6000 aufgenommen?
Diversität betrifft alle Gebäude, die von vielen Menschen genutzt werden. Das reicht von Schulen und Versammlungsorten bis hin zu Krankenhäusern. Ausgenommen haben wir das Blatt 2, das Wohnungen und Hotelzimmer beschreibt. Hier ist klar definiert, welche Person die sanitäre Anlage nutzt. In den Blättern 3 bis 6 hingegen spielen wir das Thema Diversität durch.

Jetzt haben wir aber das Blatt 1 vergessen ....
Das Blatt 1 beschäftigt sich in der Neuauflage mit grundlegenden Dingen, die für mehrere Gebäudenutzungen gelten. Denn das ist die zweite wichtige Neuerung: Wir haben die Systematik der Richtlinie auf den Kopf gestellt.

Wird es komplizierter?
Nein, statt in allen Blättern identische Empfehlungen zu wiederholen, haben wir Redundanzen eliminiert. Das Blatt 1 benötigen in Zukunft alle, die eines der Folgeblätter anwenden. Die Blätter 2 bis 6 haben an Umfang verloren und sind für sich gut lesbar.

Am Ende geht es ums Mensch sein
Foto: ©John – stock.adobe.com

Am Ende geht es ums Mensch sein
Foto: ©John – stock.adobe.com

Wie geht es nun mit der Richtlinie VDI 6000 weiter?
Bis 31. Oktober 2022 haben Fachleute und Branchenprofis Zeit, uns ihre Stellungnahmen zu den Entwürfen zu schicken. Sobald diese im Ausschuss geprüft und abgearbeitet sind, kommt die Richtlinie VDI 6000 als Weißdruck heraus, voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023.



Thomas Wollstein ist Physiker und seit 30 Jahren in der technischen Regelsetzung tätig, zunächst beim DIN, aktuell beim VDI. Er betreut VDI-Fach- und Richtlinienausschüsse im Bereich der Sanitärtechnik und Trinkwasserhygiene, darunter den Ausschuss VDI 6000. Die Richtlinien der Reihe VDI 6000 für Sanitärtechnik und Sanitärräume sowie alle weiteren VDI-Richtlinien erhalten Sie beim Beuth Verlag unter beuth.de
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