Feuchte am Arbeitsplatz min. 40 %

Planungsaspekte und -hinweise zur Festlegung der relativen Luftfeuchtigkeit

In Deutschland arbeiten etwa 17 Mio. Menschen in Büros. Das Raumklima, das sie dort umgibt, ist von erheblicher Bedeutung für ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wichtige Einflussfaktoren sind sowohl die Raumtemperatur als auch die relative Luftfeuchte. Schlechte und trockene Luft können zu Irritationen der Nasen- und Rachenschleimhäute, trockenen Augen oder juckender Haut führen – und damit zu einer verringerten Konzentrationsfähigkeit. Trockene Schleimhäute sind eine der Ursachen für eine geschwächte Infektionsbarriere der Atemwege. Wird in einem Raum eine relative Luftfeuchtigkeit von mindestens 40 % eingehalten, lässt sich bei einer Vielzahl von Infektionen das Übertragungsrisiko erheblich verringern [1].

Die relative Luftfeuchte wirkt sich zudem indirekt auf die Lebensdauer luftgetragener Viren aus, die in Aerosolen transportiert werden. In trockener Luft schrumpfen Aerosole schneller, werden somit leichter und schweben länger in der Luft. Das Scofield-Sterling-Diagramm in Bild 1 zeigt, dass die Belastung der Raumluft mit unerwünschten Mikroorganismen bei einer relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 % am geringsten ist.

Da Menschen kein Sinnesorgan haben, mit dem sie die relative Luftfeuchte direkt wahrnehmen können, sind sie auf sekundäre Wahrnehmungen angewiesen, z. B. trockene Schleimhäute, Schwitzen oder Schwüleempfinden. Manche dieser Auswirkungen treten erst zeitversetzt auf, sodass die Menschen nicht immer den Zusammenhang zur Luftfeuchtigkeit erkennen.

Die relative Luftfeuchte ist das prozentuale Verhältnis der vorhandenen zur maximal möglichen Luftfeuchte. Gelangt kalte Außenluft in den Raum und erwärmt sich dort, sinkt die relative Luftfeuchtigkeit. Dadurch kann an kalten Wintertagen eine relative Raumluftfeuchtigkeit von 40 % bei normalem Lüftungsverhalten nicht ohne aktive Befeuchtung sichergestellt werden. Je niedriger die Außentemperatur und je höher die Temperatur im Raum ist, umso trockener wird die Luft in Räumen ohne Befeuchtung.

Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stellt jährlich Daten bereit über Kosten, die sich durch Arbeitsunfähigkeit ergeben [2]. Sie berücksichtigt dabei die in Tabelle 1 in der linken Spalte aufgezeigten Wirtschaftszweige. Die mittlere Spalte enthält die Informationen zum prozentualen Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Atemwegserkrankungen in dem jeweiligen Wirtschaftszweig. Die rechte Spalte gibt Werte für den Ausfall der Bruttowertschöpfung eines Arbeitnehmers je Tag an. Die Werte für den Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Atemwegserkrankungen liegen für die verschiedenen Wirtschaftszweige zwischen 8,7 und 11,7 %. Der Ausfall an Bruttowertschöpfung bewegt sich zwischen 139 und 300 Euro pro Tag. Im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit bei 17 Tagen je Arbeitnehmer. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage durch Atemwegserkrankungen liegt damit für die verschiedenen Wirtschaftszweige zwischen 1,5 und 2,0.

Berechnungsmodell

Mit dem Klimaanlagensimulationsprogramm AC-OPT [3] wurden Energiebedarfs-Berechnungen für einen Elektrodenbefeuchter und einen Hybrid-Luftbefeuchter durchgeführt. Simuliert wurde beispielhaft eine RLT-Anlage mit einem Zu- und Abluftvolumenstrom von jeweils 10.800 m³/h für das Testreferenzjahr von Potsdam 2010 des Deutschen Wetterdienstes. Die Zulufttemperatur ist auf 18 °C festgelegt, die Raumtemperatur beträgt mindestens 22 °C und gleitet im Sommer bis auf maximal 26 °C. Die inneren Feuchtelasten wurden in diesem Beispiel vernachlässigt.

Wird ein Außenluftvolumenstrom von 30 m³/h pro Person unterstellt, ist diese Anlage für eine Belegung mit 360 Personen dimensioniert. Bei einer durchschnittlichen Belegungsdichte von 12 m²/Person ist dieser Außenluftvolumenstrom ausreichend für etwa 4300 m² Nutzfläche. Die RLT-Anlage stellt die Außenluftzufuhr sicher. Eine raumseitige Kühlung führt im Sommer die zusätzlichen thermischen Raumlasten ab, den Heizbedarf im Winter deckt eine statische Heizung. Bei einer Betriebszeit von Montag bis Freitag von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr ergeben sich 3132 Betriebsstunden im Jahr.

Bild 2 stellt für jede Berechnungsstunde die relative und die absolute Feuchte im Aufenthaltsbereich dar. Minimum im Winter ist 40 % oder 6,6 g/kg trockener Luft. Im Sommer ergeben sich je nach notwendigem Kühlerbetrieb maximal 10 bis 12 g/kg trockener Luft. Die Komfortgrenzen werden im Winter erfüllt und im Sommer knapp überschritten.

In der Berechnung wurden vier verschiedene Befeuchter berücksichtigt. Mit dem Einsatz von Dampfbefeuchtern können sehr hohe hygienische Anforderungen erfüllt werden, da das Wasser auf mindestens 100 °C erhitzt und verdampft wird. Der Elektroden-Dampfbefeuchter erzeugt einen Stromfluss mittels einer Wechselspannung zwischen zwei gegenüberliegenden Elektroden. Der Widerstands-Dampfluftbefeuchter erhitzt das Wasser mit elektrischen Heizwiderständen auf 100 °C. Beim gasbefeuerten Dampfluftbefeuchter stellt ein gasbefeuerter Wärmeübertrager die notwendige Wärme bereit. Beim adiabaten Luftbefeuchter wird das Befeuchtungswasser mit Düsen in Luftrichtung zerstäubt. Die Verdunstung findet teilweise im Luftstrom selbst und ggf. anschließend in einem Nachverdunster oder Tropfenabscheider statt. In den drei zuletzt genannten Fällen wird das entsalzte Wasser mittels Umkehrosmose bereitgestellt.

Die Berechnungen wurden für die Standorte Potsdam, München, Frankfurt und Garmisch-Partenkirchen durchgeführt. Für den Standort Potsdam wurde zusätzlich eine Feuchterückgewinnung von 70 % betrachtet. Die Energie- und Wasserpreise, die für die Berechnung angesetzt wurden, sind Tabelle 2 zu entnehmen.

Auswertung und Interpretation der Ergebnisse

Tabelle 1 zeigt den Ausfall an Bruttowertschöpfung für die verschiedenen Arbeitstage. Er liegt für den Wirtschaftszweig der Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister sowie für das Grundstücks- und Wohnungswesen mit 300 Euro pro Tag am höchsten. Alle folgenden Überlegungen beziehen sich auf diesen Wert, um den ungünstigsten Fall abzubilden. Bei einer Bruttowertschöpfung je Arbeitsplatz von 300 Euro am Tag und einer Nutzfläche je Arbeitsplatz von 12 m² pro Person, ergibt sich eine auf die Fläche bezogene Bruttowertschöpfung von 25 Euro pro Tag und m². Sie ist in Bild 3 als durchgezogene Linie eingetragen.

Tabelle 3 zeigt beispielhaft die berechneten Gesamtkosten für den Einsatz eines Elektrodenbefeuchters am Standort Potsdam. Für die Investitionskosten wurde angenommen, dass bereits eine RLT-Anlage installiert ist und lediglich die Befeuchterkomponente nachgerüstet wird. Für den Fall, dass eine RLT-Anlage neu installiert wird, berücksichtigt die Berechnung nur die Mehrkosten für die Befeuchtung. In der letzten Zeile der Tabelle stehen die Kosten, die sich insgesamt für die Auslegung des Befeuchters ergeben, bezogen auf 1 m² Nutzfläche des Arbeitsplatzes. Die Kosten belaufen sich auf 5,70 Euro je m² und Jahr.

Die Ergebnisse der Simulationen für die vier verschiedenen Befeuchterarten sind in BIld 3 aufgetragen. Die einzelnen Balken zeigen Werte für die verschiedenen Standorte und für die Feuchterückgewinnung von 70 %. Der Maximalwert von 7 Euro je m² und Jahr ergibt sich für den Widerstands-Dampfluftbefeuchter am Standort Garmisch-Partenkirchen.

Aus dem Verhältnis zwischen der Bruttowertschöpfung der Mitarbeitenden und den Kosten für die Befeuchtung kann direkt abgeleitet werden, dass sich ein Befeuchtungssystem wirtschaftlich schon dann lohnt, wenn damit wenige Stunden an Arbeitsausfall aufgrund von Atemwegserkrankungen vermieden werden. Die Kosten von 7 Euro/m² zeigen den hier ungünstigsten Fall für den Energieaufwand. Wird dieser Wert mit der auf die Fläche bezogenen Bruttowertschöpfung von 25 Euro je Tag und m² verglichen, so entsprechen die anfallenden Kosten von 7 Euro je m² und Jahr lediglich 28 % der Bruttowertschöpfung eines einzelnen Tages.

Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass die Luftbefeuchtung in Bürogebäuden betriebswirtschaftlich bereits dann sehr attraktiv ist, wenn die krankheitsbedingten Ausfalltage durch das Einhalten einer Mindestfeuchte von 40 % marginal reduziert werden können.

Literatur

[1] F. Nienaber; K. Rewitz; P. Seiwert; D. Müller: Einfluss der Luftfeuchte auf den Menschen und seine Gesundheit, 2021, DOI: 10.18154/RWTH-2021-01238

[2] BAuA – Volkswirtschaftliche Kosten durch ­Arbeitsunfähigkeit – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

[3] RLT-Simulation AC-OPT, www.rlt-simulation.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2021

Die Luftfeuchte im h,x-Diagramm

Darstellung und Berechnung

In dem für die Lüftungs- und Klimatechnik besonders interessierenden Temperaturbereich zwischen etwa -15 °C und 50 °C ist die betrachtete Luft stets eine Mischung aus trockener Luft und darin...

mehr
Ausgabe 03/2020 FGK positioniert sich zur Raumluftfeuchte

Kampagne „Mindestfeuchte 40 %“

Die Kampagnenwebseite "Mindestfeuchte 40 %"

„Gute Raumluftqualität ist ein grundlegendes Menschenrecht“ – so lautet das Manifest des europäischen Verbands der Ventilatorenindustrie EVIA. Bei „guter Raumluft“ denken die meisten Planer,...

mehr
Ausgabe 11/2022

Optimale Luftfeuchtigkeit im Callcenter

Geschmeidige Stimmbänder und Infektionsschutz in Einem

Es hält sich noch immer hartnäckig: das Gerücht von „Deutschland als Service- wüste“. Und zugegeben, über viele Jahre hinweg hatte das Thema Service an Mensch und Produkt sowie eine...

mehr
Ausgabe 11/2019

Behaglichkeitsaspekte der Raumluft

Gesundheitsgefahren durch eine zu geringe Luftfeuchte
Diagramm f?r behagliche Raumtemperaturen und Raumluftfeuchten

Mindest-Raumluftfeuchte 40 % Jeder kennt die unangenehmen Auswirkungen von zu trockener Luft: Die Haut wird schuppig und rissig, Nasen- und Rachenschleimhäute, aber auch die Augen trocknen aus und...

mehr
Ausgabe 12/2015 Konstante Luftfeuchte und Temperatur

Weinlagerung in der Bank

Im Keller der Alten Oberpostdirektion wurde im April 2015 die wineBank in Hamburg eröffnet. 22 Tresore und 240 Fächer bieten die Möglichkeit, hier insgesamt mehr als 24.000 Flaschen Wein zu lagern;...

mehr