Regenwasserbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels

Plädoyer für eine wasserorientierte Stadtplanung

Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung stand im Mittelpunkt einer Presseveranstaltung mit 30 Fachjournalisten in Berlin. Die Veranstaltung bildete den Abschluss von elf Fachtagungen zum Thema, an denen bundesweit über 1.100 Fachleute aus der Wasserwirtschaft teilnahmen. Im Rahmen der Presseveranstaltung, die die Kronimus AG Betonsteinwerke, Iffezheim, und die Mall GmbH, Donaueschingen, organisierten, wurden Umfrage­ergebnisse zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung in Deutschland vorgestellt. Markus Böll, Pressesprecher der Mall GmbH, präsentierte die Ergebnisse der Umfrage, die unter 1.900 Architekten, Ingenieuren und Behörden erhoben worden war. Rund 21 % der Antworten stammten dabei von Planern, die in der Haus- und Gebäudetechnik aktiv sind. In den bundesdeutschen Genehmigungsbehörden und Planungsbüros ist demnach bereits ein Paradigmenwechsel erfolgt.

80 % der befragten Architekten, Ingenieure und Behörden sehen die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv. 97 % erwarten eine gleichbleibende bzw. verstärkte Nachfrage der Regenwasserbewirtschaftung in den nächsten Jahren. Themen der Zukunft sind Starkregen, Regenwasserversickerung und -behandlung sowie die Gestaltung des urbanen Stadtklimas. Die Regenwasserbewirtschaftung wird, so die Umfrageergebnisse, gerade im Bereich der TGA immer wichtiger, da sie als Teil der Haus- und Gebäudetechnik angesehen wird. Dabei sei eine Abstimmung der Gewerke auch und gerade im Bereich der Regenwasserbewirtschaftung sehr wichtig. Dabei spiele allerdings die Kühlung von Gebäuden mit Hilfe von Regenwasser noch eine untergeordnete Rolle. Aber auch in den Bereichen Betrieb und Wartung sowie Kontrolle und Überwachung steckt demnach noch Potential.


Marktprognosen in Zeiten des Klimawandels

Diese Marktprognose steht im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel, der laut Prognosen der Meteorologen für mehr Starkregenperioden und Veränderungen im Stadtklima sorgen wird. Nach Einschätzung der Planer sind die bestehenden Entwässerungssysteme nicht in der Lage, vor allem die in den Wintermonaten stark anschwellenden Regenmengen zu bewältigen. Sie favorisieren u. a. die Regenwasserversickerung und -nutzung, Dachbegrünung und die Verwendung von wasserdurchlässigen Materialien, statt Straßen, Höfe und Plätze mit Asphalt und Beton zu versiegeln.

Ein klares Plädoyer für die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung hielt Dr.-Ing. Harald Sommer, Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH, zur Fragestellung „Wohin mit dem Wasser?“ Die Antwort gab er selbst, indem er Versickerung, Rückhaltung, Nutzung und Behandlung als die geeigneten Mittel für eine Anpassung bestehender Entwässerungssysteme an die Herausforderungen des Klimawandels nannte. Die Zunahme von Starkregen sei wahrscheinlich, allerdings nur schwer qualifizierbar. Eine simple Vergrößerung der Kanalnetze führe zu enormen Kosten und verlagere die Probleme nur. Schon jetzt seien die Kanäle durch die erhöhten Starkregenabflüsse und weiter fortschreitende Versiegelung überlastet. Die Mischwasserkanalisation in Deutschland laufe durchschnittlich 20- bis 40-mal pro Jahr über, wodurch Abwässer ungereinigt in Gewässer eingeleitet würden. Diese Praxis habe der Europäische Gerichtshof bereits als „nicht länger tolerierbar“ bezeichnet.

Der Regenwasserexperte Klaus W. König bemängelte, dass jedes Jahr immer noch rund 71 ha an Grün- bzw. Ackerflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt und dabei ca. 50 % versiegelt werden. Auf diese Weise sei der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche Deutschlands von 1990 bis 2012 von 11,2 % auf 13,5 % gestiegen. Mit Hinweis auf die im Sommer zunehmende Trockenheit und Hitze empfahl er Dachbegrünungen und offene Wasserflächen im Rahmen von Quartierslösungen. Die Verdunstung könne als wichtiges Element der Klimaregelung in der Stadt das Wohlbefinden der Menschen positiv beeinflussen. Er sprach sich für eine staatliche Verpflichtung bei Neubauten aus, ein zweites Leitungssystem einzubauen. Seiner Meinung nach müsste sich die Politik in Brüssel und Berlin zum Was­ser­recyc­ling bei Regen- und Grauwasser durchringen, um nennenswerte Einsparungen bei der Ressource Wasser zu erzielen. Auch die Errichtung von Zisternen könnte die Regenmengen, die vermehrt in den Wintermonaten anfallen, für die Nutzung im zunehmend trockneren Sommerhalbjahr bevorraten.

Dipl.-Ing. Martin Lienhard, Leiter Technische Abteilung der Mall GmbH, betonte, dass es bei der Umsetzung des § 55 „Grundsätze der Abwasserbeseitigung“ im Wasserhaushaltsgesetz mangelt. Es sollte keine Mischkanalisation mehr gebaut werden, sofern eine Trennkanalisation möglich ist. Relativ unverschmutztes Wasser solle nicht mehr den Kläranlagen zugeführt werden, damit diese bei verschmutztem Wasser ihre volle Wirkung besser entfalten können.


Forderung nach politischer Unterstützung

Mall und Kronimus fordern die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden auf, sich stärker als bisher für eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung auf allen Ebenen einzusetzen, so wie es das Wasserhaushaltsgesetz bereits vorschreibt. Bisher kommt der Umbau der Entwässerungs­sys­teme trotz des Wasserhaushaltsgesetzes, das vor sechs Jahren verabschiedet wurde, nur schleppend voran. „Mit der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung können wir die Auswirkungen von Starkregenereignissen vermindern“, lautete das Fazit von Markus Böll.

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