Ein solarelektrisches Gebäude als Betriebsgebäude

Im Gespräch mit Gerhard Rimpler

tab: Herr Rimpler, Sie sind Geschäftsführer von my-PV. Bitte stellen Sie Ihr Unternehmen kurz vor?

Herr Rimpler: my-PV wurde 2011 von mir und weiteren Kollegen, alles ehemalige Führungskräfte eines Solarwechselrichterherstellers, gegründet. Heute haben wir unseren Sitz in Neuzeug in Oberösterreich. In diesem Jahr feiern wir daher bereits unser zehnjähriges Bestehen. Wir haben eine deutliche Entwicklung von einem Systemhaus für Photovoltaik hin zum Anbieter von Produkten für die Warmwassererzeugung mit Photovoltaik genommen. Allerdings gab es früher große Vorbehalte gegen unseren technischen Ansatz. Doch Wasser mit regenerativem Strom zu erwärmen, hat sich zu einer etablierten Technik entwickelt. Nun gehen wir auch bei der Raumwärme diesen Weg.


tab: Sind Sie mit der aktuellen Entwicklung in der PV-Branche zufrieden?


Herr Rimpler: Wir sind sehr zufrieden. Wir sind eine der Branchen, die profitiert haben. Und es geht so positiv weiter.


tab: Aktuell errichten Sie einen Neubau. Welche Ziele verfolgen sie damit?


Herr Rimpler: Wir verfolgen mit dem Neubauprojekt drei große Ziele: Es ermöglicht das Wachstum des Unternehmens, es bietet einen attraktiven Arbeitsplatz für unser Team, und es werden die umfangreichen Möglichkeiten unserer innovativen Technologie anschaulich dargestellt. Unsere Idee war es, ein solarelektrisches Gebäude zu bauen.

Hierfür haben wir ein System zur Betonkernaktivierung mit Solarstrom entwickelt. Eine elektrische Fußbodenheizung gibt überschüssige Solarenergie in Form von Wärme an das Gebäudefundament ab. Um zu zeigen, dass es funktioniert, wollten wir das am eigenen Gebäude demonstrieren. Grundvoraussetzung für ein solches Konzept ist ein hoher, zeitgemäßer Dämmstandard des Gebäudes. Denn die Oberflächentemperatur der aktivierten Fundamentplatte kann nur wenige Grad über der gewünschten Raumtemperatur liegen, um die Behaglichkeit in den Räumen nicht zu beeinträchtigten.

tab: Das klingt sehr interessant. Können Sie das Konzept näher erläutern?


Herr Rimpler: Sehr gerne. Das Konzept sieht vor, Photovoltaikerträge optimal in das Gebäude zu bringen. Der Neubau besteht aus Holz. Er steht auf einem massiven Betonsockel als Fundament, der die thermische Speicherung übernimmt. Die Betonkomponenten dienen als Speicherkomponenten, weil der Holzbau selbst hierfür zu wenig Masse bietet.

Für die Stromerzeugung verfügt das Gebäude über insgesamt 100 kWp Photovoltaik auf dem Pultdach sowie an den Fassaden. Im Jahresverlauf steht ein großer Überschuss an elektrischer Energie zur Verfügung, den wir für die thermische Speicherung verwenden. Wir sehen die thermische Speicherung im Gebäude gegenüber einer Speicherung des Stroms in Batterien, die gleichfalls ihre Berechtigung hat, bei unserem Projekt als konkurrenzlos günstig an.

Zudem kommen wir mit diesem Konzept zu einer reduzierten Komplexität. So konnten wir auf wassergeführte Heizsysteme komplett verzichten. Das Gebäude verfügt über ein auf einem Vordach aufgestelltes VRF-System zur Kühlung und ein System für die kontrollierte Be- und Entlüftung. Diese Systeme werden vorrangig mit dem eigenen PV-Strom versorgt. Der geringe Warmwasserbedarf im Gebäude wird auf Strombasis über einen Speicher, der bei der Sanitärgruppe positioniert ist, erzeugt.

tab: Welches waren die weiteren Herausforderungen bei der Planung und Ausführung?


Herr Rimpler: Wir mussten den Projektbeteiligten unsere Idee vom Gebäude vermitteln. Wir haben aber einen Architekten gefunden, der weniger designorientiert, als vielmehr bautechnisch geprägt ist. Zudem haben wir die entsprechenden Fachplaner eingebunden. Diese gehen üblicherweise nach einem bewährten Technologieeinsatz vor. So findet verständlicherweise eine Risikominimierung bei der Lösungsfindung statt. Wir konnten jedoch alle Beteiligten von unserer Idee überzeugen. Die besondere Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Haustechnik von Beginn an mitgedacht werden muss. Denn bereits beim Fundament ist es nötig, die Fußbodenheizung für eine gelungene Baukernaktivierung einzuplanen. Aber eigentlich gilt dieser Planungsansatz für jedes Gebäude.


tab: Wie schwer war es dann, die Planer zu überzeugen, nicht auf ein gängiges wassergeführtes System zu setzen?


Herr Rimpler: Klar war dies ein Punkt. Planer haften üblicherweise für ihre Leistung, bei neuen Konzepten sind sie verunsichert. Wir nahmen aber das Risiko sportlich und wussten, dass es funktionieren würde, da wir bereits eine Reihe an Projekten durchgeführt haben. Wir haben die Technik zudem mit unseren eigenen Planungstools sehr genau simuliert. So kamen wir zu sehr realistischen Annahmen. Wir haben hier sehr viel Know-how aufgebaut.


tab: Gibt es weitere Besonderheiten?


Herr Rimpler: Sogar mehrere. Wir haben auf der Fundamentplatte keinen Estrich aufgetragen, sondern nur einen Bodenbelag. Hierfür war Präzisionsarbeit notwendig. Auch hier gab es einige Bedenken von Handwerkern, die so etwas noch nicht gemacht haben. Aber das Ergebnis ist überzeugend.

Zudem bleibt das Holz im Gebäude sichtbar und sorgt so für ein angenehmes Raumklima.

tab: Wo sind beim Projekt die größeren Einsparungen zu erwarten, bei den Investitions- oder den Betriebskosten?


Herr Rimpler: Eigentlich in allen Bereichen. Wir betreiben eine Sektorenkopplung, daher wird in allen Bereichen gespart. So können mit Photovoltaikstrom Elektromobile geladen werden. Auch bei der Kühlung und der Wärme werden wir im Betrieb gegenüber einem Standardgebäude zu Einsparungen kommen.


tab: Wenn Sie schon ein erstes Fazit zum Projekt ziehen können, wie lautet dieses?


Herr Rimpler: Auch wenn es vielleicht noch etwas früh ist, so handelt es sich doch um ein erfolgreiches Projekt. Als Bauherr hatten wir genaue Vorstellungen und wir konnten unsere eigene Kompetenz sehr gut einbringen. So werden Regelung und Steuerung von uns selber programmiert. Wir können unsere Geräte auch aus der Ferne monitoren. In weiteren Schritten soll eine Nachtkühlung realisiert werden.

Und letztlich ist der Flächenbedarf für die TGA gering. Die Haustechnik ist dafür für Besucher und Kunden sichtbar in der Lobby aufgestellt. Haustechnik zum Vorzeigen eben!

tab: Herr Rimpler, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns, wenn wir bei Gelegenheit über die ersten Betriebserfahrungen mit ihrem neuen Gebäude berichten dürfen.

Ein zukunftsweisendes Baukonzept

my-PV errichtet das solarelektrisches Betriebsgebäude im oberösterreichischen Sierning nahe Steyr. Die Photovoltaikwärme-Experten von my-PV setzen bei der Errichtung des künftigen Betriebsstandortes neue Trends. So wird bei dem Neubau erstmals ein Produktions- und Firmengebäude als solarelektrisches Haus konzipiert und umgesetzt. Auf rund 2.600 m2 entstehen dabei Produktions- und Lagerflächen, Büroräumlichkeiten, Schulungsräume und eine Abteilung für Forschung und Entwicklung. Die gesamte Gebäudeplanung erfolgte gemäß einem Raster, der sich an den Standardmaßen von Solarmodulen orientierte. Die Planungsvorgaben für den Architekten waren dementsprechend klar: Die gesamte Außenhülle des Gebäudes soll als Träger für die PV-Module genutzt werden und dies muss in allen Bereichen – von der Dachneigung bis zu Fassadengestaltung – berücksichtigt werden. Dieser klare Planungsfokus erlaubt es nun, 300 PV-Module am Gebäude zu installieren. Die Nachhaltigkeit des Bauprojektes wird auch durch die Errichtung in Holzbauweise sichergestellt, die die natürlichen Ressourcen schont und die Möglichkeit sukzessiver Erweiterung bietet. Die Fertigstellung des Gebäudes soll im August 2021 erfolgen, das Investitionsvolumen liegt bei 2 Mio. €.

Info

Kenndaten

Bruttogeschossfläche: 858 m²
Bauweise: Holzleichtbau
PV-Leistung und Ausrichtung: 100 kWp, davon 70 kWp am Pultdach, 30 kWp an der Fassade
Heizlast: 14 kW
Heizregelleistung: 40 kW
Kühllast: 30 kW
Fensterfläche: 100 m²
Heizwärmebedarf Standortklima: 47 kWh/m²a

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