Gesamtkälteverbund in München

Erweiterung und Anpassung der Kälteerzeugung

Die Stadtwerke München betreut durch das Ingenieurbüro Team für Technik haben über die letzten 15 Jahre die Kälteversorgung am Hauptstandort der Stadtwerke ausgebaut und optimiert. Dabei wurde der wachsende Kältebedarf mit den örtlichen Gegebenheiten kombiniert. Die am Standort vorhandene Grundwasserreinigungsanlage wurde in die Kälteversorgung integriert. Dadurch konnte eine ressourcenschonende und sichere Kälteversorgung aufgebaut werden. Am Standort der Stadtwerke München ist damit eine nachhaltige Versorgung für die Zukunft gewährleistet.

Die Stadtwerke München (SWM) zählen zu den größten Energie- und Infrastrukturunternehmen Deutschlands. Sie versorgen täglich über 1 Mio. Privathaushalte, Gewerbe- und Industriekunden mit Energie (Strom, Erdgas, Fernwärme) sowie Trinkwasser. Sie betreiben eine der modernsten Bäderlandschaften Deutschlands und sorgen mit U-Bahn, Bus und Tram für umweltfreundliche Mobilität. Die Organisation und Steuerung dieser Dienste erfolgen überwiegend aus dem Stammsitz der Stadtwerke an der Emmy-Noether-Straße im Nordwesten von München (Bild 1). Neben den 4.000 Mitarbeitern am Hauptsitz sind dort auch die Leitwarten der Verkehrsbetriebe sowie zentrale Server beheimatet, die für eine funktionierende Münchener Infrastruktur unabdingbar sind.

Zuverlässige Versorgung mit Kälte auf dem Gelände der Stadtwerkszentrale (SWZ) ist dafür Voraussetzung, weil EDV und weitere Steuerungssysteme Kühlung erforderlich machen. Kälteversorgung erfordert vergleichsweise hohen Stromeinsatz. Auch wegen der Vorreiterrolle der SWM war das Ziel der Planungen von Anfang an, eine möglichst ressourcenschonende Versorgung mit Kälte zu erreichen. Daneben hat die Versorgungs­sicherheit der kritischen Infrastruktur hohe Priorität.

Nördlich und westlich der Stadtwerkszentrale entfaltete sich in den letzten Jahren auf noch freien bzw. durch abgebrochenen Altbestand freigewordenen Flächen eine rege Bautätigkeit. Die Neubauten weisen zu einem großen Anteil gleichfalls Kältebedarf auf, der vom Versorgungsnetz der Stadtwerkszentrale allein nicht mehr abgedeckt werden konnte.


Die Kältenetze am Hauptsitz der Stadtwerke München

Um die Versorgungssicherheit nachhaltig zu garantieren, betreiben die Stadtwerke München im Gesamtquartier zwei Kältenetze, die teilweise parallel verlegt sind. Das jüngere Netz transportiert reine Grundwasserkälte. Kältequelle sind vorhandene Grundwasserbrunnen eines Freibades, das sich in unmittelbarer Nähe zur SWZ befindet. Um diese Kälte für das Areal nutzbar zu machen wurde 2011 eine Verbindungsleitung zwischen Freibad und SWZ, sowie das zusätzliches Kältenetz auf dem Gelände der SWZ verlegt. Zur Versorgung der neueren Gebäude im Areal fällt nur die elektrische Pumpenergie zur Kühlung und Klimatisierung als Primärenergieaufwand an.

Die Temperaturen unterliegen saisonalen Schwankungen, Grundwasser kann keine vollständige Versorgungssicherheit bieten, Deshalb wurden Gebäude mit hohen Anforderungen an die Versorgungssicherheit neben der Grundwasserkälte auch aus dem zuerst errichteten Kältenetz, dem Gesamtkälteverbund (GKV), versorgt.

Der GKV wurde als erste Erweiterung der bauzeitlichen Kälteversorgung der SWZ errichtet. Der Neubau der SWZ wurde mit einer zentralen, fernwärmebetriebenen Absorptionskälteanlage und zwei kleineren dezentralen und elektrisch betriebenen Kompressionskälteanlagen versorgt. Mit gestiegenen Anforderungen an Kälteleistung und Versorgungssicherheit wurde der GKV errichtet, der seit 2006 alle bestehenden Kältezentralen verbindet und eine neue Kältezentrale mit einer Kombination aus Grundwasserkälte und maschineller Erzeugung erhielt.

Je nach historischer Entwicklung und/oder notwendiger Versorgungssicherheit, werden die Verbraucher entweder über Grundwasserkälte oder aus dem GKV versorgt. Manche Verbraucher, die viel Kälte mit hoher Versorgungssicherheit benötigen, werden aus beiden Netzen versorgt (Bild 2).

Normalerweise wird bei diesen Abnehmern die Kälte vom der Grundwassernetz geliefert. Bei Ausfall übernimmt die GKV die Versorgung und sichert unterbrechungsfreien Betrieb. Die Betriebssicherheit der kritischen Infrastruktur bleibt erhalten.

Andere Verbraucher werden nur aus dem GKV versorgt, oder bei reiner Klimatisierung nur aus dem Grundwasserkältenetz.

Die Erzeugerstruktur des GKV besteht nicht nur aus maschinellen Erzeugern. Auch hier lag großes Augenmerk auf ressourcenschonender Erzeugung.

In einer der beiden Hauptzentralen (Bild 1) erfolgt die Versorgung durch eine elektrisch angetriebene Kompressionskältemaschine (KKM, 1.200 kW) und bisher durch zwei fernwärmebetriebene Absorptionskältemaschinen. Zusätzlich sind Wärmeübertrager zur freien Kühlung installiert, bei Außentemperaturen unter 10°C reichen Leistung und Vorlauftemperatur zur direkten Kühlung. Auf dem Gelände vorhandene Kältepotentiale wurden immer auf Effizienz und Integrierbarkeit geprüft. Die Überprüfung der Kälteauskopplung aus einer großen Gasdruckregelanlage auf dem Gelände wurde aufgrund zu großer Komplexität verworfen, während die Frostfreihaltung der Tiefgarageneinfahrt aus dem Kälterücklauf erfolgt und so zur Deckung des ganzjährigen Kältebedarfs beiträgt.

In der zweiten Zentrale (Bauteil M, Bild 1) sind eine KKM sowie zwei Wärmeübertrager zur Nutzung von freier Kühlung installiert.

 

Die Funnel & Gate-Anlage

Eine aus anderen Gründen erforderliche Maßnahme konnte zusätzlich genutzt werden, den Anteil ressourcenschonender Kälte im GKV zu erhöhen.

Die SWZ wurde auf einem Areal errichtet, das früher zur Stadtgaserzeugung aus Kohle genutzt wurde. Um Verschleppung der aus dieser Nutzung stammenden Bodenkontaminationen durch den natürlichen Grundwasserstrom zu verhindern, musste ganzjährig eine Grundwasserreinigungsanlage mit erheblichem Aufwand für den Pumpstrom betrieben werden.

Im Jahr 2004 wurde die bestehende Anlage durch das sogenannte Funnel & Gate-System (Bild 3) ersetzt. Dabei fließt durch eine unterirdische Staumauer („funnel“, im Bild blau dargestellt) aufgestautes Grundwasser unterirdisch im freien Gefälle über Aktivkohlefilter (im „Gate) und wird dadurch gereinigt. Außerhalb der Staumauer wird das gereinigte Grundwasser wieder dem natürlichen Grundwasserstrom zugeführt. Dieser Prozess findet ohne Stromeinsatz statt. Geplant wurde diese Maßnahme von der bfm Umwelt GmbH.

Beim Bau der neuen Kältezentrale (Gebäude M) im Jahr 2006, wurde die Funnel & Gate-Anlage in die Kälteerzeugung integriert. Ein Teilstrom des gereinigten Grundwassers übernimmt die Vorkühlung des GKV. Das um wenige Kelvin erwärmte Grundwasser wird wieder dem natürlichen Grundwasserstrom zugeführt. Reichen die Grundwassertemperaturen zur direkten Kühlung nicht aus, wird über eine nachgeschaltete KKM das Kaltwasser nachgekühlt.

Zwischen 2006 und 2020 wurde alles größtenteils durch diese beiden Zentralen versorgt. 


Erweiterung der Erzeugerkapazitäten

Durch weitere Rechenzentren und Neubauten wurde mehr gesicherte Kapazität notwendig. Im Jahr 2018 begannen die Planungen. Die Ermittlungen ergaben einen Zusatzbedarf von 600 kW. 

Analysen und Betriebsauswertungen der Grundwassernutzung des Funnel & Gate-Systems und der Netztemperaturen ergaben Ansatzpunkte für die vorteilhafte Integration eines neuen Erzeugers. Die Auswertungen zeigten Optimierungspotential bezüglich der thermischen Nutzung des Grundwassers. Gemäß der wasserrechtlichen Genehmigung kann die thermische Nutzung bis zu einer Temperaturerhöhung von 5 K und einer maximalen Erwärmung auf 20 °C erfolgen. Dieses Potential wurde nicht vollständig ausgeschöpft. Die Rücklauftemperaturen des Netzes von ca. 16 °C und die saisonalen Grundwassertemperaturen von12 °C bis 17 °C (Bild 4) waren die begrenzenden Faktoren.

Eine Rückkühlung der zusätzlichen Kältemaschine mit Grundwasser des Funnel & Gate-Systems versprach Optimierung der Nutzung und Maximierung des Wirkungsgrades der Erzeugung durch niedrige Rückkühltemperaturen. Aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse in der bestehenden Zentrale wurde ein Grundwasserwärmeübertrager so umgerüstet, dass er je nach Betriebsfall entweder zur Vorkühlung des Netzes oder zur Rückkühlung der Kältemaschine genutzt werden kann. Dadurch konnte die Temperaturdifferenz zwischen Rückkühlseite und Kaltwasserseite niedrig bleiben (Kaltwasserseite 12/18 °C, Rückkühlseite 20/26°C). Der Wirkungsgrad (der Energy Efficiency Ratio = EER) der Kältemaschine wird dadurch hoch. Es wurde eine magnetgelagerte, ölfreie Turboverdichtermaschine ausgewählt, die bei geringen Temperaturunterschieden besonders effizient läuft. 

Zur Absicherung wurden für den Notbetrieb zusätzlich Rückkühlwerke installiert, die bei Ausfall des Funnel & Gate-Systems die Rückkühlung übernehmen können. Als Nebeneffekt wurde dadurch auch die Kapazität der freien Kühlung über die Rückkühlwerke erhöht (Bild 5).

Die Kältemaschine ist seit März 2020 in Betrieb. Auf dem Messstand erreichte die Maschine bei den gegebenen Temperaturverhältnissen EER-Werte von bis zu 14. Übliche Konfigurationen erreichen EER-Werte von 5 bis 8. Ein Modell des Verdichters ist in Bild 6 dargestellt. Eine Verifizierung der Prüfstandswerte erfolgt nach der Gesamtinbetriebnahme ab Juni 2020.

 

Fazit

Über viele Jahre haben die Stadtwerke München und das Ingenieurbüro Team für Technik GmbH gemeinsam innovative Ansätze in eine ressourcenschonende Kälteversorgung mit der erforderlichen Versorgungssicherheit umgesetzt. Das Ziel war immer, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen und optimal in die Kälteversorgung einzubetten. So wurden aus anderen Gründen erschlossene Grundwasservorkommen genutzt und zur Kälteversorgung eingesetzt. Bestehende Anlagen wurden in die Versorgung integriert. Dort wo eine maschinelle Kühlung notwendig war, wurde die Technologie so gewählt, dass eine sehr hohe Effizienz erzielt wird und die Anlage unter den gegebenen Betriebsbedingungen einen EER von bis zu 14 erreichen kann.

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