Zwischen Risiken und Rechtssicherheit

Im Interview mit RA Hartmut Hardt, VDI

Das Stichwort „Betreiberverantwortung“ im Facility Management lässt nach wie vor alle Beteiligten aufhorchen – egal ob Auftraggeber oder Auftragnehmer, Berater oder gar IT-Anbieter. Doch kennt jeder seine Rechte und Pflichten? Und wo unterscheiden sich GEFMA 190 und VDI 3810? Kerstin Galenza, Redakteurin des tab-Schwestertitels FACILITY MANAGEMENT (www.facility-management.de) sprach mit RA Hartmut Hardt, VDI, über das Thema der Betreiberverantwortung. Das Interview ist nachfolgend in Auszügen wiedergegeben.

FM: Herr Hardt, wenn es um Betreiberverantwortung geht, werden viele hellhörig. Denn besonders die gesetzlichen Änderungen der letzten Jahre haben hier für eine Verschärfung der rechtlichen Konsequenzen gesorgt. Wie sehen die genau aus?

RA Hardt:  Ich widerspreche dem Ansatz, dass es eine Verschärfung der rechtlichen Konsequenzen gegeben habe. Unsere Rechtsordnung kennt seit über 100 Jahren die Verantwortungsbereiche der zivil- und strafrechtlichen Haftung. Die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sind seit dieser Zeit die von der Rechtsordnung zu schützenden höchstpersönlichen Rechte. Verändert, weil weiterentwickelt, hat sich das Wissen um Technik und Hygiene. Damit sind die leistbaren Anforderungen an das, was die Betreiberverantwortung dem Einzelnen abverlangt, konkreter geworden. Absehbar eintretende Schadenereignisse müssen durch geeignete, frühzeitig zu ergreifende Präventivmaßnahmen abgewendet werden. Die Sicherheitserwartungen sind aufgrund der technischen Weiterentwicklungen größer geworden. Kurz und gut: Wir wissen mehr!

FM: Wie stellen sich die betrieblichen Anforderungen im Rahmen eines rechtssicheren Gebäude- und Anlagenbetriebs heute dar?

RA Hardt: Maßgeblicher Punkt der vorbeugenden Betrachtung ist die Gefährdungsbeurteilung. Die Gesetzeslage fordert im Einklang mit der Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung möglicher Gefährdungslagen das Maß an Vernunft und Weitsicht eingebracht wird, das ein umsichtiger, vorsichtig und besonnen handelnder Mensch einbringen würde. Richtschnur für das tatsächliche Handeln sind die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt auf der einen Seite und die Umsetzung des technischen Sicherheitswissens auf der anderen Seite. Dazu gehört, dass das erforderliche Wissen zum gegebenen bauseitigen und technischen Bestand vorhanden ist und die daraus abzuleitenden Maßnahmen zur Erhaltung der Betriebssicherheit und Funktionalität erfüllt werden. Der Betreiber ist regelmäßig darlegungspflichtig und beweisbelastet. Er hat den Nachweis zu führen, ordnungsgemäß gehandelt zu haben.

FM: Welche Grundlagen in der rechtssicheren Betriebsorganisation müssen Betreiber verinnerlicht haben?

RA Hardt: Im § 3 der Betriebssicherheitsverordnung wird gefordert, dass der Arbeitgeber die auftretenden Gefährdungen beurteilt und die sich daraus ergebenden Schutzmaßnahmen ableitet.
Zunächst ist im Rahmen einer Zielvorgabe ein Regelungsbereich festzulegen. Im Schaubild ist es der Arbeitsschutz. Die Vorgehensweise lässt sich aber ebenso auf den Umweltschutz, die Verkehrssicherungspflichten etc. übertragen. Die Geschäfts- oder Behördenleitung ordnet die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen an. Die Ergebnisse daraus werden innerbetrieblich umgesetzt und bilden sich in den konkreten Aufbaustrukturen und Ablaufprozessen als „gelebte Wahrheit“ ab. Diese Vorgaben werden eingehalten, etablieren sich und führen dazu, dass zunehmend mehr auf die Sicherheit geachtet wird, also eine kontinuierliche Verbesserung einsetzt. Dieses Prinzip der Sicherheit wird fortentwickelt. Darüber wird der Geschäfts- oder Behördenleitung berichtet, damit entschieden werden kann, ob die Zielvorgabe erreicht wurde oder noch weitere Maßnahmen anstehen.

FM: Wie kann ein Betreiber Haftungsrisiken reduzieren?

RA Hardt: Das Risikomanagement beginnt mit der Risikovermeidung. Der Betreiber hat auf alle Tätigkeiten zu verzichten, die mit einem inakzeptabel hohen Risiko verbunden sind. Als „Risiko“ wird das Verhältnis zwischen der Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts einerseits und den absehbar damit verbundenen möglichen Schadenfolgen andererseits ermittelt. Als Nächstes folgt die Risikominderung, was bedeutet, dass das Risiko durch geeignete Präventivmaßnahmen reduziert wird. Teil des Risikomanagements ist ferner die Risikoübertragung, was bedeutet, dass das Risiko oftmals besser zu beherrschen ist, wenn konkrete Verantwortungsbereiche auf einzelne Verantwortungsträger übertragen werden. Schließlich ist die Risikoakzeptanz zu berücksichtigen. Dazu gehören die Risiken, die dem Betreiber in jedem Fall bleiben. Eine genauere Beantwortung Ihrer Frage bedarf der jeweiligen Einzelfallbetrachtung.

FM: Thema „BetrSichV“ – Wer haftet nun eigentlich?

RA Hardt: Die zentrale Verantwortung bleibt weiterhin beim Arbeitgeber. Er hat dem Stand der Technik zu folgen und durch Gefährdungsbeurteilungen und den daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmen umfassende Sicherheit zu gewährleisten. Mit dem Begriff des „Verwendens“ von Arbeitsmitteln hat der Verordnungsgeber die haftungsrechtliche Tür weit geöffnet. So kann der Verwender eines überwachungsbedürftigen Arbeitsmittels (z.B. einer Aufzugsanlage) auch der Mieter oder Pächter des Objektes sein, in dem diese Anlage verwendet wird. Die neue BetrSichV konkretisiert ferner ganz speziell die Anforderungen an die Instandhaltung. Es gibt konkrete Bezugnahmen zur DIN 31051 und zur TRBS 1112, ebenso wie es im § 10 Absatz 3 eine „Checkliste für die Koordination der Instandhaltung“ gibt.

FM: Die Richtlinienreihe VDI 3810 und GEFMA 190 befassen sich beide mit dem Thema Betreiberverantwortung. Wo unterscheiden sie sich?

RA Hardt: Die GEFMA 190 war in 2004 ein Meilenstein. Jetzt sind zwöfl Jahre vergangen. Die Rechtsprechung hat sich gefestigt, Gesetze haben sich geändert und das Verständnis des FM / der Betreiberverantwortung hat sich weiterentwickelt. Die Richtlinienreihe VDI 3810 ist bereits „satzungsrechtlich“ strenger zur Aktualität verpflichtet. Im Blatt 1 und Blatt 1.1 werden die Grundlagen des Betreibens, der Instandhaltung und der Wahrnehmung der Betreiberverantwortung erläutert. Die weiteren Blätter der Richtlinienreihe  spezifizieren die Anforderungen an die einzelnen Gewerke in der TGA. Ansonsten kann ich die Frage nicht objektiv beantworten, da ich als Mitglied des Vorstands der VDI-GBG ohne Zweifel parteiisch und befangen bin – dieses aber aus Überzeugung und mit größter Lebensfreude.

FM: Herr Hardt, vielen Dank für Ihre deutlichen Antworten.

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