icbp 2010 – Branchendialog zur Gebäudeperformance

Die Gebäude der Zukunft und ihre Optimierung hinsichtlich Ressourcenschonung, Energieeffizienz und Betrieb standen im Mittelpunkt der Veranstaltung „icbp – International Conference on Building Performance“ (www.icbp2010.com) am 20. und 21. September 2010 in Berlin im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit über 250 Teilnehmern. Die Organisatoren Ebert-Ingenieure und das Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS), TU Braunschweig hatten für die Teilnehmer eine große Bandbreite an aktuellen Themen zusammengestellt, denn Gebäude interaktiv in ihrer Umwelt als ganzheitliche Komplexe zu betrachten, bedeutet alle Einflussfaktoren auf die Gebäudeperformance zu berücksichtigen. Der Mix und das Erfahrungspotential der nationalen und internationalen Experten war der Einstieg für alle Interessensvertreter der Gebäudeplanung und des Gebäudebetriebs zu intensiven Diskussionen. Die rasanten technischen Entwicklungen und ökonomischen Anforderungen an die Branche dulden keinen Stillstand und erfordern eine hohe Kommunikationsbereitschaft miteinander.

Herr Staatssekretär Jochen Homann ging in seinem Grußwort auf die enorme Tragfähigkeit der Thematik Gebäudeeffizienz ein und wies auf die Bedeutung energieeffizienter Techniklösungen hin. In seinem Forschungsprogramm „EnOB – Energieoptimiertes Bauen“ fördert das BMWi die Entwicklung und Demonstration innovativer Technologien für energieeffiziente Gebäude von der Gebäudehülle über die Anlagentechnik bis zur Gebäudeautomation und der energetischen Betriebsoptimierung. Diese Zielsetzung wird von umfangreichen Forschungsmitteln unterstützt. Gemeinsam mit Herrn Dr. Knut Kübler wies er auf das neue Energieforschungsprogramm der Bundesregierung hin, das im Frühjahr 2011 verabschiedet werden soll. Auch in diesem wird die Energieeffizienz in Gebäuden einen wichtigen Schwerpunkt bilden und zusätzliche Forschungsmittel sollen gezielt in diesem Bereich u. a. für neue Technologien und Konzepte zur energetischen Sanierung und Betriebsoptimierung eingesetzt werden.

Professor Werner Jensch und Professor Norbert Fisch, die beiden Leiter der icbp, gingen in ihrem Grußworten auf die allgemeinen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Branche ein. Mit ersten Denkanstößen stimmten Sie die Teilnehmer auf die Veranstaltung ein. So gab Jensch den Zuhörern die Frage mit auf den Weg, wer und in welcher Art und Weise wir zukünftig unsere komplexer werdenden Gebäude bei dem bereits vorhandenen aktuellen Ingenieurmangel und anstehenden demographischen Wandel managen wollen. Damit unsere aktuellen Neubauten nicht zu den Bausünden von Morgen werden, gilt es gemeinsam einen integralen Planungsansatz mit Hilfe neuer Technologien umzusetzen. Dann läge es doch sehr nahe, sich bereits heute intensiv mit den Bestandsgebäuden und deren Herausforderungen zu beschäftigen, um Problemlösungen zu finden anstatt diesen derzeit weitgehend zu vernachlässigen. Daran anknüpfend präsentierte Professor Fisch mit seinem Ansatz „Architektur und Energiedesign in Harmonie“ ein neues Konzept, das für den jeweiligen Gebäudetypen spezifiziert werden kann. Zweifellos unterliegt die Rolle eines Gebäudes einem stetigen Wandel und deshalb sollten Gebäude inzwischen auch als eigenes Kraftwerk anstatt als nur als Energieverbraucher gesehen werden. Der Grad der Autarkie, der Status als Energielieferant und ein hohes Maß an technischer Vernetzung sind in Zeiten der E-Mobilität zukünftig fester Bestandteil der Beratungsleistung des Planers und der Architekten. An einem expliziten Beispiel zeigte Fisch auf, welche Stellschrauben wir bereits heute haben und wie wichtig für eine Planung mit Weitblick der Dialog und die Dialogbereitschaft ist. – Die Umsetzung in Neubauten stellt dabei allerdings das geringere Problem dar.

Den wegweisenden Input der Corporate Social Responsibility (CSR) auf den Planungsprozess von Gebäuden und die veränderten Anforderungen von morgen oder der aktuellen Nachhaltigkeit fasst der Moderator Richard Weller wie folgt in seinem Abschlussplädoyer zusammen: An diesem Thema kommen Planer und Berater repräsentativen Projekten heute schon nicht vorbei. Dies wirkt sich zunehmend auf alle Projekte von verantwortungsvollen Unternehmen jeglicher Größe aus. Noch mehr müssen wir im Detail die Philosophie unserer Kunden, ihre Struktur und Strategien kennen, um uns in diese hinein zu versetzen. Dem Mitarbeiter als Nutzer wird dabei eine neue Wertschätzung zuteil. Kunden wollen und müssen heute zunehmend verantwortungsvoll leben. Das Thema CSR ist inzwischen über die Nachhaltigkeit in unserer Branche angekommen und hat diese geradezu durch die neuen Unternehmensstrategien forciert.

In einer Podiumsdiskussion diskutierten Dr. Stefan Ebner von LBImmowert, Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hausladen von der TU München, Dr. Kati Herzog von Bilfinger Berger Hochbau GmbH, Peter Stamm von German Water Partnership und Herr Dr. Knut Kübler vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über die Herausforderungen der „Gebäude von Morgen“ an die Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. In einer regen Diskussion schaffte es der Moderator Joachim Mahrholdt vom ZDF den Bogen von ökonomischen Aspekten hin zu Planungsprozessen mit essentiellen kritischen Reflexionen zu spannen. Müssen wir unsere Basiswerte wie die angesetzte durchschnittliche Nutzungsdauer von Gebäuden von fast 50 Jahren überdenken und auch in Sachen Technik eine neue Simplizität leben? Die Teilnehmer waren sich einig, wir müssen neue Bewertungskonzepte und Margen für die Wertigkeit von Gebäuden und deren Performance definieren. Dabei ist es wichtig die Wechselwirkungen der Einzelkomponenten bzw. -disziplinen frühzeitig einzubeziehen und von anderen Branchen beispielsweise hinsichtlich der Prototypentests zu lernen. Professor Hausladen ging sogar soweit, dass die Grenzen der Komplexität von Gebäuden erreicht sind und forderte eine neue Gründlichkeit in der Planung, mehr Zeit und eine Planungsphase „Null“ für eine individuelle nachhaltige Ideenfindung. Gleichzeitig äußerte die Runde den Wunsch nach einer Multiplizierbarkeit von Planungsansätzen und eine neue Schlichtheit gepaart mit einfachen technischen Konzepten. Dies erfordert eine Abkehr von dem Trend komplexer exquisiter Fassaden, für die technische Lösungen erst jeweils gemäß dem architektonischen Entwurf von den Herstellern erfunden werden müssten.

„Einfache naheliegende Lösungen“ durch detaillierte Bestandsaufnahmen standen auch in vielen anderen Beiträgen im Mittelpunkt. Wer über viel Wissen zu dem Projekt verfügt, kann auch den Nutzer für die Planung und ihre Ansätze einfacher gewinnen. Dabei gilt es wie in dem EU-Projekt „Energy in Minds“ Menschen für die Sache zu begeistern – neudeutsch Awareness – oder sich auf ur-physikalische Eigenheiten zurückzubesinnen und Gebäude durch neue Membranhüllentechnologie mit bionischen Ansätzen zu realisieren.


Die Bandbreite der weiteren Themengebiete reichte von Architektur über innovative Gebäudetechnologien und Materialien bis hin zu den abschließenden Präsentationen der Solar Decathlonbeiträge 2010, neuen Forschungsansätzen in der Raumlufttechnik durch Prof. Dr. Bjarne Olesen, Dänemark und den Zukunftsvisionen von Jeannette Huber. Als abschließendes Highlight der beiden Veranstaltungstage stellte sie noch einmal rudimentäre Grundsatzfragen zu den Ausgangspunkten der technischen, ökonomischen, ökologischen und demographischen Fragestellungen und den damit verbunden zu lösenden Problemen. Ein Gebäude an sich ist eben doch keine unabhängige Einheit, sondern muss sich in seine Umgebung eingliedern und den gesellschaftlichen Wandel des Nutzers respektieren. Deshalb ist es essentiell Strömungen und Trends zu erkennen, auf diese angemessen und wohl überlegt zu reagieren.

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