Verdeckter Mangel – 30 Jahre Gewähr

Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 1

Verjährungsfragen am Bau sind wichtig. Viele Mängel werden erst relativ spät entdeckt. Spreche ich das Thema in der Beratungspraxis an, höre ich sehr oft den oben zitierten Spruch. Man muss wohl davon ausgehen, dass er zum festen Repertoire unter den Baubeteiligten gehört. Aber was ist wirklich dran?

Wann verjähren Gewährleistungsansprüche?

Nach dem Gesetz verjähren Mängelansprüche des Auftraggebers bei Bauleistungen fünf Jahre nach Abnahme (§ 634a BGB). Andere Fristen können aber vertraglich vereinbart werden. Die VOB/B sieht etwa eine regelmäßige Verjährungsfrist von vier Jahren vor; in Nachunternehmerverträgen von Generalunternehmern werden es oft fünf Jahre und sechs Monate, damit der Generalunternehmer noch reagieren kann, wenn ihm kurz vor Ablauf seiner Fristen noch eine Inanspruchnahme zugeht.

 

Gibt es überhaupt 30 Jahre Gewährleistung?

Nach der Gesetzesreform von 2002 gibt es diese langen Fristen für unseren Bereich nicht mehr. Früher gab es bei arglistig verschwiegenen Mängeln eine 30-jährige Verjährungsfrist, heute beträgt diese Frist drei Jahre ab dem Jahresende der Kenntniserlangung vom Mangel, höchstens aber zehn Jahre ab Abnahme. Entgegen der populären Rechtsauffassung am Bau kommt es dabei überhaupt nicht darauf an, dass der Mangel „verdeckt“ ist, sondern auf das arglistige Verschweigen des Mangels durch den Auftragnehmer.

 

Was heißt arglistiges Verschweigen?

Grundsätzlich heißt das Kenntnis des Mangels bei Abnahme, ohne dass der Auftragnehmer auf den Mangel hinweist. Meistens hat das rein tatsächlich nur Erfolg, wenn der Mangel – typisch bei allen Leitungen – von anderen Bauteilen überdeckt wird oder an unzugänglicher Stelle liegt. Haftungsgrund ist aber nicht, das ein verdeckter Mangel vorliegt, sondern allein die Tatsache, dass der Auftragnehmer einen Mangel seiner Leistung  kennt und verschweigt. Übrigens reicht es für Arglist, wenn der Monteur den Mangel kennt, Kenntnis des Chefs wird nicht vorausgesetzt!

 

Wann verlängert sich die Gewährleistungsfrist wegen fehlerhafter Organisation?

Die Rechtsprechung hat eine weitere Fallgruppe aufgemacht, die der Arglist gleichstehen soll. Heute werden viele Gewerke arbeitsteilig durch Nachunternehmer erbracht. Wer seinen Betrieb so organisiert, dass Mängel von Nachunternehmern gar nicht entdeckt werden können („organisiertes Wegschauen“), hätte einen Vorteil, weil nie Kenntnis vorläge. Daher werden solche krassen Fälle gleichbehandelt. Die unteren Gerichte hatten diese Rechtsprechung viel zu weit gezogen, so dass nach deren Rechtsprechung eine Verlängerung der Gewährleistung immer schon bei besonders auffälligen oder schweren Mängeln eingreifen sollte, da diese „bei richtiger Organisation erkennbar“ gewesen wären. Diese Ansichten sind nach einigen neuen Urteilen des Bundesgerichtshofs überholt. Die auf 10 Jahre verlängerte Gewährleistung wird zukünftig die Ausnahme bleiben.

 

Fazit

Der Spruch „Verdeckter Mangel – 30 Jahre Gewähr“ gilt in der Form nicht. Der wahre Kern: Verschweigt der Auftragnehmer ihm bekannte Mängel bei der Abnahme, haftet er dafür bis zu zehn Jahre – wenn man ihm das Verschweigen denn beweisen kann.

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