Mit Primärenergiefaktor Null

CO2-neutrales Hightech-Areal

Viele Unternehmen verpflichten sich dazu, mit einem Corporate Responsibility-
Programm einen aktiven Beitrag für den Umweltschutz zu leisten. Dem Ingolstädter Automobilhersteller Audi waren bei Planung und Bau des neuen Fahrgeländes in Neuburg a.d. Donau Nachhaltigkeit und Energieeffizienz besonders wichtig. Ziel war es, eine CO2-neutrale Strom- und Wärmeversorgung auf dem 47 ha großen Areal zu gewährleisten. Die TGA-Planung vertraute das Unternehmen den Energieexperten von Gammel Engineering aus Abensberg an. Das Ergebnis nach nur zweijähriger Bauzeit hat die DGNB überzeugt: Für die umweltfreundliche Bauweise wurde das Kunden­gebäude mit der höchsten Auszeichnung geehrt.

„Die Audi AG definiert für Investitionen die gleichen Ziele wie bei der Entwicklung ihrer Fahrzeuge: Sicherheit, Energieeffizienz, Umweltfreundlichkeit, Zukunftsflexibilität, Verarbeitungsqualität und natürlich Langlebigkeit“, erklärt Klaus Bumba, Fachplaner im Bereich Versorgungstechnik beim Automobilhersteller. Daneben war dem Unternehmen die Einhaltung des finanziellen und zeitlichen Rahmens wichtig. Da man mit Gammel Engineering bereits bei vorherigen Projekten gute Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht hatte, wurde das Unternehmen von Audi damit beauftragt, auch die TGA auf dem 47 ha großen Areal des neuen Fahrgeländes zu realisieren. „Gammel Engineering ist bekannt für eine vorausblickende, gewerkeübergreifende Gebäudetechnik, die individuell auf die jeweilige Aufgabenstellung abgestimmt wird“, so Klaus Bumba.

Eine der wesentlichen Aufgabenstellungen in der Planung war es, die verschiedenen Geschäftsbereiche Audi driving experience, Kompetenz-Center Motorsport mit Audi Sport und Audi Sport customer racing mit den jeweils individuellen Anforderungen auf dem Gelände zu einer Symbiose größtmöglicher Synergie am Standort zu vereinen. „Einen vergleichbaren Zusammenschluss der Fachbereiche gab es zum Zeitpunkt der Standortentwicklung bei Audi nicht. Mit der Planung in Neuburg wurden in dieser Beziehung neue Wege bestritten“, erklärt Dietmar Montag, Projektleiter bei Gammel Engineering. Um die vom Kunden benötigten Betriebsabläufe sicherzustellen, wurde ein leistungs- und kostenoptimiertes Modell der technischen Versorgung geschaffen. Zwölf Mitarbeiter des Ingenieurbüros waren für Planung und Fachbauleitung verantwortlich. Ziel war es, eine möglichst umweltfreundliche Energieversorgung zu gewährleisten. Die Planungsarbeiten für den Ingenieurdienstleister begannen im September 2011 und dauerten bis Juli 2013 an.

 

Wärme, Kälte und Strom aus einer Energiezentrale

Aus der neuen Energiezentrale werden Wärme, Kälte und elektrische Energie bereitgestellt. Die Verteilung geschieht über ein ausgeklügeltes Infrastrukturnetz. Besonderer Wert wurde dabei auf eine zügige und kostengünstige Errichtung der technischen Anlagen gelegt. Das gelang auch durch den Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadt Neuburg aus dem städtischen Industriegebiet: Da zur Wärmeerzeugung auf Abwärme aus der regionalen Glasindustrie zurückgegriffen wird, bestätigt der Netzbetreiber einen Primärenergiefaktor von null. Auf dem Gelände wurde außerdem ein Nahwärmenetz mit einer niedrigen Vorlauftemperatur angelegt, um die gleichzeitige Abwärmenutzung aus dem Prüfstandbetrieb zu ermöglichen; die Effizienz wurde somit noch gesteigert.

Des Weiteren wurden in der Energiezentrale drei Kompressions­kältemaschinen mit einer Gesamtkälteleistung von 5,4 MW aufgebaut.

Vorteil der zentralen Energieversorgung

Ursprünglich war in der Werksentwicklung geplant, die Energieversorgung dezentral zu errichten. Eine genaue Analyse zeigte jedoch, dass eine zentrale Lösung deutlich günstiger und effi­zien­ter wäre. „Die Zentralisierung bietet neben einem geringeren Wartungsaufwand weitere Vorteile. So kann durch den Einsatz weniger großer Kältemaschinen die notwendige Gesamtkälteleistung sicher zur Verfügung gestellt werden. Die Peripherie zum Betrieb der Maschinen, einschließlich der zukünftigen Ausbaustufen, ist optimal auf den Kunden abgestimmt. Damit ist gewährleistet, dass Audi auch langfristig erheblich Kosten einspart“, erläutert Dietmar Montag das Konzept.

Daneben kann durch die Mehrfachnutzung der Anlagen und die Ausnutzung von Synergieeffekten eine besonders hohe Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Diese Synergieeffekte kommen etwa zur Anwendung, wenn die für die Kältemaschinen vorgesehenen Rückkühler und Kühlbecken auch für die freie Kühlung und für die Reduktion überschüssiger Wärme aus dem Prüfstandsbetrieb verwendet werden. Dadurch lassen sich hier die Anforderungen der unterschiedlichen Betriebsweisen und die vorhandenen dynamischen Energiebilanzen am Standort managen.

Herausforderung Baustellenkoordination

An dem Projekt waren neben Gammel Engineering viele weitere Unternehmen beteiligt. Daraus ergaben sich zahlreiche Schnittstellen: Die Nutzer mit ihren speziellen Anforderungen für den Bereich Motorsport und die Investoren mussten sich ständig mit den beteiligten Planungspartnern abgleichen. Der interdisziplinäre Wissensfluss im komplexen Projekt war eine große Managementaufgabe. Die detaillierte Planung war ein gemeinsames Ringen um die bestmögliche Lösung im Sinn des Bauherrn. Die Koordination der gesamten Baustelle war ebenfalls eine große Herausforderung: „Infrastrukturmaßnahmen, wie die Verlegung von Leitungstrassen, durften die restlichen Baustellenaktivitäten auf keinen Fall behindern“, erläutert Dietmar Montag. „Durch die enge Vernetzung der Fachplanungsfirmen konnten wir neue Ideen in den Planungsprozess und bei der Umsetzung einbringen. So gelang es, die Qualität des Projektes noch einmal zu steigern.“


Auszeichnung für Nachhaltigkeit

Audi gab für die Planung und Umsetzung einen engen Zeitraum vor, den es einzuhalten galt: Der Bau des Kundengebäudes für die Audi driving experience inklusive Infrastruktur und Beheizung erfolgte von Juli 2012 bis Ende 2013; die Arbeiten für das Kompetenz-Center Motorsport wurden von Juli 2013 bis November 2014 ausgeführt. Dies funktionierte nur durch die ständige Rückkopplung der beteiligten Firmen und regelmäßige Workshops, um etwa Kosteneinsparpotentiale näher zu beleuchten. Ebenfalls standen ständige Kosten-Reportings auf dem Plan. Dabei war es notwendig, die Balance zwischen einer möglichst günstigen Ausführung und den hohen Qualitätsansprüchen von Audi zu halten. Die Arbeit hat sich jedoch gelohnt: Das Kundengebäude Audi Neuburg wurde von der DGNB mit „Gold“ zertifiziert (entspricht nach der Umstellung im Herbst 2015 „Platin“) – ein Novum für Veranstaltungsgebäude. Audi zeigte sich deshalb auch sehr zufrieden über die Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro. „Gammel Engineering wurde für den zweiten Bauabschnitt als Generalplaner für Infrastruktur und Energieversorgung erneut beauftragt“, so Klaus Bumba abschließend.

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