Zur Energieeffizienz von Hallengebäuden

Mit der novellierten EnEV 2009 haben sich die Anforderungen an die Energieeffizienz von Hallengebäuden deutlich erhöht. In der Praxis hat die energetische Bewertung neue Fragen aufgeworfen. Ein im Rahmen der „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ durch den Bund, das DIN und die figawa gefördertes Forschungsprojekt soll die besonderen energetischen und thermischen Aspekte von Hallengebäuden näher untersuchen. Die Ergebnisse sollen als fachliche Grundlage für die Überarbeitung der DIN V 18 599 und die Novellierung der EnEV 2012 dienen. Im Gespräch mit Prof. Dr. Bert Oschatz vom ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden, der das Forschungsprojekt federführend durchführt, wird der aktuelle Stand erläutert.


TAB: Sie führen im Auftrag der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das Forschungsprojekt „Energieeffizienz von Hallengebäuden“ zusammen mit Prof. Maas von der Universität Kassel durch. Warum ist die Studie notwendig geworden?

Prof. Oschatz: Es hat sich herausgestellt, dass sowohl in der EnEV 2007 als auch im EEWärme-Gesetz Hallengebäude mit ihrer Spezifik nur unzureichend berücksichtigt wurden. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hatte zunächst vor allem Wohngebäude und im Nicht-Wohnbereich typische Gebäude wie Büros bei der Formulierung der energetischen Anforderungen vor Augen. Auch in der Norm zur Berechnung des Energiebedarfs (DIN V 18 599) ist das Thema Hallengebäude bisher eher unterdurchschnittlich beleuchtet. Die Realität zeigt aber, dass in Hallen aufgrund der baulichen Besonderheiten wie beispielsweise Raumhöhen mit zum Teil mehr als 20 m sowie der speziellen Nutzung und Anlagentechnik ganz andere thermische Bedingungen herrschen als beispielsweise in einem Büro. Die unspezifische Behandlung und Interpretationsprobleme bei der EnEV führten dazu, dass in der Praxis bewährte und energieeffizient arbeitende Heizsysteme ungenügend abgebildet wurden bzw. scheinbar die bestehenden Anforderungen nicht mehr erfüllen konnten. Die Studie soll nun Grundlagen für eine korrekte energetische Bewertung von Hallengebäuden und im Besonderen von Hallenheizsystemen schaffen. Mit der Untersuchung werden zugleich die Energieeinsparpotentiale auf der gebäude- und anlagentechnischen Seite von Hallengebäuden in Deutschland ermittelt.

TAB: Was genau wird untersucht, und wie lässt sich die energetische Bewertung von Hallen bzw. Hallen­heizsystemen künftig verbessern?

 

Prof. Oschatz: Zunächst wurden sieben typische Hallengebäude definiert, die einen repräsentativen Querschnitt der Nutzungsmöglichkeiten wiedergeben sollen, also eine Werkstatt, zwei Fertigungsbetriebe mit unterschiedlichem Fensterflächenanteil, eine Logistikhalle, eine Turnhalle, ein Baumarkt mit Gartenbereich und ein großer Lebensmittelmarkt. Auf Basis der charakteristischen Bauteil- und Gebäudekennwerte dieser Nutzungstypen haben wir die Energiebedarfswerte nach bisheriger Normversion errechnet. Auf Grundlage dieser Berechnungen wurden u.a. Variationen verschiedener Eingabeparameter der Berechnung durchgeführt, wodurch der Einfluss dieser Parameter, also ihre Wichtigkeit innerhalb der Berechnung, eingestuft werden kann.

Über eine Analyse realer Verbrauchsdaten sind wir auf deutliche Abweichungen zwischen Ener­gie­bedarf und -verbrauch gestoßen. Als wesentliche Ursachen für die Differenzen zeigten sich u.a. gebäude- und nutzungsbedingte Luftwechsel sowie die Bilanzinnentemperatur. Für ausgewählte Hallen führen wir gegenwärtig detaillierte Simulationen zu den Verhältnissen bei unterschiedlichen Heizungssystemen durch, sind jedoch an dieser Stelle noch nicht ganz so weit, wie wir gern sein würden. Wir haben eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der normativen Berechnung des Energiebedarfs von Hallengebäuden erarbeitet, die gegenwärtig sowohl von einer das Projekt begleitenden Expertengruppe als auch im Normenausschuss diskutiert werden. Neben den schon genannten Änderungen wollen wir auch Änderungen bei den Nutzungsprofilen und bei der Bewertung der Heizungssysteme erreichen.

 

TAB: Welche Einflüsse haben die Ergebnisse der Studie auf derzeitige und künftige gesetzliche Vorgaben?

 

Prof. Oschatz: Die Ergebnisse und Erkenntnisse fließen in die Überarbeitung der Norm DIN V 18 599 ein und damit implizit in die für 2012 angekündigte Novellierung der EnEV. Außerdem wollen wir dem Verordnungsgeber aufzeigen, an welchen Stellen Potential für eine weitere Verschärfung der Anforderungen besteht, bzw. wo das Ende des technisch und wirtschaftlich Sinnvollen (z. B. bei der Nutzung erneuerbarer Energien) bereits ersichtlich ist.

TAB: Welche Energieeinsparun­gen und Emissionsminderun­gen lassen sich in Hallengebäuden überhaupt erzielen?

 

Prof. Oschatz: Die Potentiale sind natürlich ganz unterschiedlich und stark abhängig vom Ausgangs­zustand. Allein durch die Optimie­rung eines alten Heizsystems werden oft deutlich mehr als 30 % Energie eingespart, in Verbindung mit einer baulichen Sanierung lassen sich in Extremfällen sogar bis zu 90 % einsparen. Der nutzungsadäquaten Beheizung des Gebäudes kommt dabei eine wichtige Funktion zu. Mit einem richtig gewählten Hallenheizsystem lässt sich bei vergleichsweise geringem Investi­tions­aufwand und i.d.R. günstigen Amortisationszeiten oftmals viel Energie einsparen.

TAB: Wie sind die derzeit genutzten Hallenheizsysteme im Hinblick auf Einsparung von Energie und CO2 zu beurteilen?

 

Prof. Oschatz: Nach derzeitigem Stand sind die dezentralen Hallenheizsysteme, wie beispielsweise moderne Hellstrahler, im Hinblick auf Einsparung von Energie sehr günstig zu bewerten. Dies gilt vor allem bei typischen Nutzungsbedingungen wie einem Ein-Schicht-Betrieb, also wenn die Halle nicht durchgehend von Menschen genutzt wird. Aber sie sind auch dort energetisch sinnvoll, wo nur bestimmte Bereiche einer Halle beheizt werden müssen. Zentrale Hallenheizsysteme eignen sich vor allem bei einer durchgehenden Benutzung einer Halle und können dort ihre Vorteile ausspielen. Dazu zählt gegenwärtig die Möglichkeit einer Einbindung von erneuerbaren Energien durch z. B. Wärmepumpen oder Biomassenutzung. Dies ist natürlich im Hinblick auf die Einsparung von Primärenergie und CO2 attraktiv. Auch lässt sich mit zentralen Heizungssystemen technologische Abwärme zur Wärmeversorgung nutzen.

Im Bereich von Hallengebäuden stehen oft die Investitionskosten noch stärker als bei anderen Gebäuden im Vordergrund. Die diesbezüglich günstigen dezentralen Systeme werden ganz überwiegend mit Erdgas versorgt, deshalb wird dieser Energieträger weiterhin eine große Rolle spielen. Wenn man sich von der im noch gültigen EEWärmeG verankerten Kopplung des Einsatzes von Biogas an KWK-Anlagen löst, dann kann zukünftig auch mit dezentralen Hallenheizungen erneuerbare Energie im Sinne des EEWärmeG genutzt werden.

 

TAB: Nach Inkrafttreten der EnEV 2009 haben einige kommerzielle Softwarelösungen für Verwirrung im Markt durch eine fehlerhafte Interpretation der EnEV-Anforderungen an Hallenheizungen geführt. Wie konnte es dazu kommen und ist der Fehler behoben?

Prof. Oschatz: Die Softwareanbieter haben die EnEV anfänglich unterschiedlich ausgelegt. Grund dafür waren Formulierungen, deren Inhalt sich nur bei sehr genauem Hinsehen erschlossen hat. In Verbindung mit der zur Erfüllung des EEWärmeG im Hallenbereich oftmals einzigen Lösung „Unterschreitung der EnEV-Anforderungen um 15 %“ kam es zu Schwierigkeiten beim Nachweis der Erfüllung der geltenden Anforderungen. Diese Fehler sind nach meinem Kenntnisstand in den Softwarelösungen inzwischen behoben.

 

TAB: Wie hat die EnEV das Planen und Bauen von Hallengebäuden verändert?

 

Prof. Oschatz: Hallen werden mittlerweile zunehmend mit größerer Sorgfalt geplant und energisch besser gebaut, dazu hat sicherlich die EnEV den wesentlichen Beitrag geleistet. In modernen Hallen sinkt mit verbessertem Wärmeschutz der Heiz­wärmebedarf, die Attraktivität dezentraler Hallenheizsysteme steigt damit weiter. Generell stehen beim Bauen und Planen einer Halle aber weiter vor allem die wirtschaftlichen Kriterien im Fokus, sie bestimmen in aller Regel die Maßnahmen, mit denen die Anforderungen erfüllt werden. Erneuerbare Energien wie die Nutzung von Geothermie und Biomasse spielen daher als Hallenbeheizung weiterhin eine untergeordnete Rolle.

 

TAB: Herr Prof. Oschatz, vielen Dank für das Interview.

Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz ist Geschäftsführer am ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden Forschung und Anwendung GmbH. Er ist Leiter und Mitarbeiter in verschiedenen na­tionalen und internationalen Normungsgremien, u. a. für die DIN 18 599 und die Heizlastberech­nung. Er lehrt seit 2006 als Pro­fes­sor für Technische Gebäude­aus­rüstung an der Hochschule Zittau/Görlitz.
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