Vorgaben zum Brandschutz

Welche Befugnisse hat die Genehmigungsbehörde?

Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen hatte sich kürzlich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigungsbehörde zusätzlich bzw. abweichend zu einem eingereichten Brandschutzkonzept gesteigerte Anforderungen an den Brandschutz stellen darf (Urteil vom 21. September 2012, Az. 2 A 182/11).

Die Frage danach, unter welchen Umständen die Ge­neh­migungsbehörde ab­wei­chen­de oder zusätzliche Anforderungen an den Branddschutz stellen darf, ist einerseits für den Bauherrn von Bedeutung. Dieser erwartet vom Fachplaner eine möglichst wirtschaftliche Planung und möchte nicht von „unvorhergesehenen“ Kosten überrascht werden.

Andererseits ist es wichtig für den Fachplaner zu wissen, ob und wann sein Brandschutzkonzept noch durch die Genehmigungsbehörde verändert werden darf. Nicht zuletzt hängt damit auch die Frage nach der vergütungsrechtlichen Einordnung der Leistungen des Fachplaners zusammen.

Der Fall:

Die Beklagte erteilte der Kläge­rin eine Baugenehmigung zum Neubau eines Lebensmittelmarkts mit einer Verkaufsfläche von knapp 800 m². Die Bau­ge­nehmigung versah die Be­klagte mit einer Nebenbestimmung zum Brandschutz. Diese lautete sinngemäß, dass ergänzend zur schon geplanten Rauchabzugvariante für den Verkaufsraum eine ausreichende Rauchabzugsmöglichkeit baulich zu schaffen sei. Es sei erstens eine besondere Deckenkonstruktion zu schaffen und zweitens entweder Öffnungen entsprechend 2 % der Grundfläche für die Rauchableitung oder alternativ Brandgasventilatoren für einen 10fachen Luftwechsel zu installieren.

Die Klägerin wandte sich gegen diese Nebenbestimmungen, da das bisherige Brandschutzkonzept auch ohne die zusätzlich geforderten Maßnahmen auskam. Da die Rettung von Per­so­nen in Räumen der hier vorliegenden Größe in der Regel innerhalb von 1,5 Minuten abgeschlossen sei, stehe die Forderung nach einer Rauchabzugsanlage, die nur unter einem hohen konstruktiven und technischen Aufwand errichtet werden könne, in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen der Anlage. Die Ausführung einer DIN-konformen Rauchabzugsanlage mit Sicherstellung einer raucharmen Schicht lasse sich nicht realisieren. Sie habe nachgewiesen, dass ein Innenangriff der Feuerwehr im Brandfall in der vorliegenden Konstellation nicht geboten sei. Die vom Beklagten geforderte Rauchabzugsmöglichkeit führe nicht zu einer Verbesserung der Sichtbedingungen für die Feuerwehr bei den Löscharbeiten, sondern sei sogar eher nachteilig.

Die Klägerin beantragte festzustellen, dass die Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmungen erteilt werden musste.

Die Entscheidung des OVG:

Das Oberverwaltungsgericht folgte der Argumentation der Klägerin nicht und gab der Baugenehmigungsbehörde Recht.

Es hielt die Nebenbestimmungen für rechtmäßig. Zur Begrün­dung führte es aus, gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW könnten an bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nut­zung (Sonderbauten) im Einzelfall zur Verwirklichung der all­ge­mei­nen Anforderungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW besondere Anforderungen gestellt werden.

Die hier angeordneten Brandschutzmaßnahmen seien zur Gefahrenabwehr notwendig. Ohne die zusätzlichen Maßnahmen bestehe die Gefahr, dass der genehmigte Lebensmittelmarkt gegen §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW – also die Vorschriften zum Brandschutz – verstoße. Ohne die Maßnahmen sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Rettung von Menschen sowie wirksame Löscharbeiten aufgrund der baulichen Beschaffenheit des Lebensmittelmarkts bei einem Brand nicht hinreichend effektiv möglich seien. Mit anderen Worten: Im Brandfall bestehe eine Gefahr für Leib und Leben einer unbestimmten Vielzahl von Menschen.

§ 17 Abs 1 BauO NRW liege die Erkenntnis zugrunde, dass mit der Entstehung eines Brands praktisch jederzeit gerechnet werden müsse und dass demzufolge der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen sei, nur einen Glücksfall darstelle, dessen Ende jederzeit möglich sei.

Der vorbeugende Brandschutz nach § 17 Abs 1 BauO NRW verlange solche baulichen Vorkehrungen zu schaffen, dass eine Rettung von Menschen und wirksame Löscharbeiten möglichst optimal gewährleistet seien. Die Feuerwehr müsse ohne Behin­de­rungen zur Brandstelle gelangen und durch die bauliche Beschaffenheit des Gebäudes in die Lage versetzt sein, für eine bestimmte Zeit Löscharbeiten durchzuführen.

Finanzielle Interessen der betroffenen Eigentümer und Betreiber von Lebensmittelmärkten müssen gegenüber dem Interesse an der Minimierung der Brandrisiken und der damit bezweckten Vermeidung von Schäden an Leib und Leben grundsätzlich zurücktreten.

Anmerkungen und Praxishinweise:

Die Entscheidung zeigt – und dies wird auch vom OVG NRW so explizit im Leitsatz der Entscheidung festgehalten – wie niedrig die ordnungsbehördliche Eingriffsschwelle bei Brandgefahren ist. Die Bauaufsichtsbehörde darf zum Schutz der Rechtsgüter schon dann gefahrenabwehrend tätig werden, wenn nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass eine Gefahr für die Brandschutzziele des § 17 Abs. 1 BauO NRW eintreten könnte, falls bestimmte Brandschutzmaßnahmen nicht ergriffen werden. Der Schutz von Menschenleben im Brandfall muss selbstverständlich an erster Stelle stehen. Allerdings gibt es oft mehrere Brandschutzkonzepte, die – durchaus mit unterschiedlichen Mitteln und Kosten – dieses Ziel erreichen. Für den (Brandschutz-)Fachplaner gilt daher umso mehr, sehr sorgfältig zu planen, d.h. die wirklich notwendigen Einrichtungen zu berücksichtigen und sinnlose Brandschutzeinrichtungen zu vermeiden. Trotz sorgfältiger Planung – dies zeigt die Entscheidung – bleibt jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ergänzende Maßnahmen angeordnet werden können. Wenn sich aus Sicht des Fachplaners bzw. des Bauherrn diese Forderungen als unverhältnismäßig darstellen, sollte er darü­ber nachdenken, ob nicht ein so genanntes Austauschmittel angeboten werden kann. Gemäß § 21 Satz 2 OBG besteht die Mög­lich­keit, im Dialog mit der Be­hörde ein anderes Mittel, das ähnlich effektiv – aber möglicher­weise viel wirtschaftlicher ist, zu­zu­lassen.

Aus Sicht des Fachplaners bedeutsam ist zudem die Frage der Vergütung. Erhält er den ergänzenden Planungsaufwand bezahlt oder stellen die nach den Vorgaben der Behörde notwendigen Umplanungsarbeiten (kostenlose) Mängelbeseitigungsarbeiten dar? Die Frage der preisrechtlichen Einordnung von Brandschutzpla­nungsleistungen wird kontrovers diskutiert und kann an dieser Stelle nicht erschöpfend behandelt werden, da es immer auch auf die konkrete Planungsaufgabe ankommt. Wenn es wie in vorliegendem Fall um Leistungen im Bereich von Sonderbauten geht, spricht viel da­für, dass die Tätigkeit des Pla­ners als besondere Leistung zu vergüten ist. Zur Risikominimierung kommt auch eine individuelle vertragliche Regelung in Betracht.

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