Ein Kommentar von Günther Mertz

Stagnierende Gebäudesanierung

Es scheint kräftig zu krachen im Gebälk der energetischen Gebäudesanierung. Wohl wissend, dass im Gebäudebestand die größten Energieeinsparpotenziale liegen, räumte der Gesetzgeber in seiner Energiewende gerade diesem Sektor einen besonderen Stellenwert ein. Und dennoch stagniert die energetische Gebäudesanie­rung in einem Maße, wie es auch angesichts der beachtlichen Förder­maßnahmen selbst von den größten Pessimisten nicht erwartet wurde. Nach Schätzungen der Deutschen Energieagentur GmbH, dena, sind die energetischen Gebäudesanierungen 2011 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte (!) zurückgegangen. Ehe man angesichts dieser Entwicklung in Schockstarre verfällt, sollte man die Gründe genauer betrach­ten. Und die liegen auf der Hand, und sind zum großen Teil wahrlich hausgemacht. Gäbe es einen Orden für die effizienteste Verunsicherung des Gebäudebesitzers und Sanierungswilligen, die Berliner Politik und die Bundesländer hätten ihn mehr als verdient. Gibt es mal wieder einen Stopp im Marktanreizprogramm? Wer­den die Mittel für das CO2-Ge­bäu­de­sanierungsprogramm erhöht oder gekürzt? Kommt eine steuerliche Förderung zur finanziellen Unterstützung der energetischen Gebäudesanierung und wenn ja, werden nur Komplettsanierungen oder auch Einzelmaßnahmen gefördert? Kommen auf Länderebene oder gar auf Kreis- oder kommunaler Ebene neue Vorschriften oder neue Förderprogramme? Wer mag es dem Häuslesbesitzer verdenken, dass er angesichts dieser mannigfaltigen Unsicherheiten seine Sa­nierungsentscheidung vertagt oder gar auf Eis legt? Es ist allgemein bekannt, dass zur Erreichung der Klimaschutzziele jährlich 2 bis 3 % der Häuser saniert werden müssten. Derzeit liegt die Sanierungsquote aber unter 1 %.

Zur Verunsicherung und damit zu den schlechten Umsetzungsergebnissen in der energetischen Gebäudesanierung tragen ohne Zweifel auch die Bundesländer bei, die in einem Olympiade gleichen Wettbewerb versuchen, mit einer Goldmedaille ihr Klima-Image aufzupolieren. Damit kein Missverständnis aufkommt: Jede Bemühung, jeder noch so kleine Mosaikstein zur Erreichung der Klimaschutzziele muss unterstützt und anerkannt werden. Doch wenn die Bemühungen der Länder zielgerichtet dazu geeignet sind, einen Attentismus in der Gebäudesanierung zu provozieren, müssen sie dringend überdacht werden. Das novellierte EEWärmeG gibt den Bundesländern weiterhin die Möglichkeit, eigene Vorschriften zur Nutzung erneuerbarer Energien in bereits errichteten Gebäuden festzulegen. Baden-Württemberg hat es vorgemacht, das Saarland arbeitet an einem entsprechenden Gesetzesentwurf. Was ist die Folge? In Baden-Württemberg wurden, so ergab eine Umfrage des SHK-Handwerks, 1200 Hei­zungs­sanierungen vertagt. 63,1 % der befragten Handwerksunternehmen haben mindestens einmal die Erfahrung gemacht, dass ein Hausbesitzer auf die Erneuerung der Heizung verzichtet hat, um das Gesetz und somit die mit Mehr­kosten verbundene Pflicht zur Einbindung erneuerbarer Ener­gien nicht eingehen zu müssen. Und NRW hat zum 1. August einen Förderstopp für neue Anträge von Häuslesbauern ver­hängt. Bauwillige können 2011 keine günstigen Darlehen der NRW-Bank mehr erhalten.

Rahmenbedingungen für einen zielgerichteten, den Klimaschutz­zie­len Rechnung tragenden Sanierungsfortschritt sehen anders aus.

In der gesamten Gebäudesanierungs-Diskussion wurde nach meiner Auffassung der Nichtwohnbereich sträflich vernachlässigt. Die jetzt von Ecofys im Auftrag des Umweltbundesamtes herausgegebene Studie belegt, dass im Bereich der Gebäudekühlung durch den Einsatz moderner Technologien Einsparpotenziale bis zu 70 % erschlossen werden können. Und alleine im Jahr 2010 wurden in raumlufttechnischen Anlagen Wärmerückgewinn­ungs­systeme installiert, deren zurückgewonnene Wärme 1 650 156 MWh beträgt. Dies entspricht dem Wärmebedarf von rund 192 000 Einfamilienhäusern. Noch Fragen?

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