Vorhandene Netze besser nutzen

Lösungen für Niederspannungsnetze

Die zunehmende Einspeisung von Strom aus dezentralen Anlagen ins Netz gefährdet die Betriebsgrenzen der Netze. Nach der EN 50160 ist auf der Niederspannungsebene für die schnellen Spannungsänderungen nur eine Abweichung von 5 % vom Sollwert erlaubt. Die tolerierte Abweichung des Spannungsbandes auf der MS-Ebene reduziert sich somit auf die Hälfte. Der zentrale Ansatz, um die durch dezentrale Energieanlagen verursachten Gefährdungen des Spannungsbandes zu vermeiden, liegt in dem Ausbau der Netze. Dies ist jedoch sehr teuer.

In dem am 1. August 2010 gestarteten und noch bis zum 31. Juli 2013 laufenden Verbund­projekt „Aktives, intelligentes Nie­derspannungsnetz“, geht die Fraunhofer IWES der Fragestellung nach, wie die Kapazitäten der bestehenden Netze besser genutzt werden können. Im Fokus steht eine zentrale Überwachung des Niederspannungsnetzes über einen Transformator als Netzmanager und/oder blindleistungsgeführten Wechselrichter. Das Team entwickelte eine Ortsnetzstation, die über eine Schaltung in sieben Stufen von jeweils 2 % einen Regelbereich von 12 % besitzt. In der Konsequenz wird die volle Nutzung des Spannungsbandes von ± 10 % des Mittelspannungsnetzes möglich. Über eine Entkopplung vom höheren Spannungsnetz werden zum einen in Echtzeit die Top-Down-Schwankungen aus dem Mittelspannungsnetz reduziert.

Mittels einer von der IWES Fraunhofer entwickelten Software als Kern einer Ortsnetzstation, ist auf der anderen Seite eine zentrale Überwachung des Niederspannungsnetzes machbar. Sie entscheidet, mit welchen Mitteln eine durch PV-Anlagen im Ortsnetz hervorgerufene „Bedrohung des Netzes“ abgewendet werden kann. „Hier sind die Komponenten wichtig. Die ,Intelligenz‘ entscheidet, mit welchen Mitteln ich dieser Netzbedrohung praktisch entgegenwirken kann. Da ist die Möglichkeit durch eine Spannungsregelung am Transformator selbst oder dass ich Einheiten, die ich habe, ansteuere. Das heißt durch mehr Blindleistungszeit, durch mehr Abregelungszeit oder durch irgendein Speichermanagement. Und das ist ebendieser Kern des Projektes“, so Dominik Geibel, Mitarbeiter des Verbundprojektes. Der regelbare Transformator wird von der J. Schneider Electric gebaut. Die Wechselrichter der PV-Anlagen sollen, anders als bisher über die Funkrundsteuerung, mittels einer GSM und UMTS-Funkverbindung an die Station angebunden werden. Des Weiteren ist angedacht, die Überwachung, Mess- und Steuerungsprotokolle an das Netzleitsystem der Netzbetreiber weiterzugeben. Ab Mitte Juli werden die in dem Prüflabor IWES-SysTec, einem Testzentrum für „intelligente“ Netze und Elektromobilität, entwickelten Komponenten – der schon marktreife Wechselrichter des Unternehmens SMA Solar Technology GmbH, die Ergebnisse der Netzsimulationen und der kompakte siebenstufige Transformator der Firma J. Schneider Electric – in einem Feldtest auf Praxistauglichkeit geprüft. Weitere Möglichkeiten einer regelbaren Ortsnetzstation liegen in der Anwendung als Teil eines Smart Grid. Als eine Zentrale im Netz wird eine Steuerung der Last möglich. Eine Nutzung der Überschüsse in Speicheranlagen, die z. B. in Kühlhäusern aufgefangenen werden, ist daher denkbar. Auch die Ansteuerung der Ladestationen in der Elektromobilität, kann für die Speicherung der Energie herangezogen werden. Eine Software kann die Geschwindigkeit der Ladeleistung und Kapazität erhöhen.

Der von der von J. Schneider Electric Energy GmbH entwickelte Transformator besitzt über eine neunstufige Schaltung von jeweils 2,5 % einen Regelbereich von –5 % bis +12,5 %. Durch seine kompakte und modulare Bauweise hat es das Unternehmen geschafft, alle notwendigen Komponenten in eine 630 kVA-Ortsnetzstation einzubauen. Dazu gehören das Antriebsmodul, die Fernwirk- und Steuereinheit sowie optionale Modems für Funk, PSTN, GSM und SL. Ein zusätzliches Gebäude wird überflüssig. Über das Fernwirkmodul können dann Trendanalysen des Netzbetreibers online empfangen und an die Regeleinheit für eine Umsetzung weitergegeben werden. Das Modul liefert Informationen über Strom-, Spannungs- und Leistungswerte. Neu an dieser Station ist eine frei einstellbare Reaktionszeitkonstante. So lassen sich die Regelbefehle verzögern – mit der Konsequenz, dass der Transformator nicht auf jede kurzfristige Spannungsschwankung reagiert. Bisherige Transformatoren, wie die von Siemens seit dem Februar 2012 auf dem Markt befindlichen, besitzen eine dreistufige Regelung. „Ein höheres Fine-Tuning erfordert häufigere Vorgänge. Das ist unwirtschaftlich und verkürzt die Lebensdauer“, so Bruno Opitsch, Manager der Verteilnetzautomatisierung, Siemens.

Netzausbau verschieben

Bundesweit gibt es ca. 500 000 Ortsnetztrafos. Würden 10 bis 15 % durch den Einsatz dieser regelbaren, „intelli­genten“ Ortsnetzstationen ersetzt, könnte der Ausbau von Kupfernetzen, je nach den Vorbedingungen – Schlafsiedlung oder ländliche Region –, um 20 bis 30 % vermin­dert und die Einspeisung von Energie aus dezentralen Energieanlagen um den Faktor 3 erhöht werden. Dass ein Netzausbau verschoben werden kann, macht die noch nicht ausgereizte, schrittweise Erhöhung der Kapazitäten deutlich. Zunächst kann die 630 kVA-Anlage durch 800 kVA-Stationen ersetzt werden. Als Nächstes sollte die Strombelast­bar­keit geprüft werden, erst am Ende muss der Netzausbau erfolgen.

Christian Fink, 50677 Köln

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