Gezielter Heizkörper-Austausch

Optimierung von Wärmepumpen-Heizungsanlagen

Die Anlagentechnik von Bestands-Mehrfamiliengebäuden stellt den Einsatz von Wärme­pumpen vor Herausforderungen. Neben hohen Temperaturen für die Trink­wassererwärmung reduzieren unnötig hohe Systemtemperaturen der Heizungsanlage die Arbeitszahlen. In Kombination mit einem hydraulischen Abgleich stellt der gezielte Austausch einzelner Heizkörper eine wirksame Möglichkeit dar, die Heizungstechnik für Low-Ex-Technologien zu ertüchtigen, ohne das gesamte Wärmeverteilsystem auszutauschen.

Gebäude sind weltweit für den größten Anteil am Primärenergieverbrauch verantwortlich (32 % in 2010) und verursachen beinahe ein Viertel aller Treibhausgasemissionen [1]. In Deutschland sind Gebäude für 30 % der sektorübergreifenden Treibhausgasemissionen verantwortlich [2]. Es befinden sich dabei mehr als die Hälfte der deutschen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (MFH) [3]. Für einen zukünftigen klima­neutralen Gebäudebestand sind neben der Sanierung der Gebäudehülle energieeffiziente Wärmeversorgungskonzepte für bestehende MFH von zentraler Wichtigkeit, da sich ein Großteil der MFH in einem un- oder teilsanierten Zustand befindet. Damit verbunden sind ein hoher spezifischer Wärmebedarf und, aufgrund fossiler Heizungstechnik, hohe spezifische CO2-Emissionen [4].

Die bestehende Versorgungstechnik in Bestands-MFH stellt den dortigen Einsatz von Wärmepumpen (WP) vor Herausforderungen in Bezug auf hohe Temperaturniveaus. Zum einen muss in zentralen Systemen für die Gewährleistung eines legionellenfreien Warmwasserbetriebs eine Austrittstemperatur von 60 °C am Trinkwarmwasser-Speicher immer gewährleistet sein und der gesamte Speicher muss täglich auf diese Temperatur erwärmt werden [5], sofern keine „Sonderlösungen“ wie Ultrafiltration umgesetzt werden. Zum anderen reduzieren unnötig hohe Heizkreistemperaturen die Arbeitszahl von Wärmepumpen. In Kombination mit einem hydraulischen Abgleich stellt der Austausch einzelner Heizkörper eine wirksame Möglichkeit dar, das Wärmeübergabesystem für Low-Ex-Technologien durch Absenkung der Systemtemperaturen zu ertüchtigen. Bei dieser „minimalinvasiven“ Maßnahme werden lediglich die „kritischen“, am kleinsten dimensionierten Heizkörper ausgetauscht, während das Wärmeverteilsystem und die überwiegende Zahl der Heizkörper nicht verändert werden.

Im Forschungsprojekt „Smartes Quartier Durlach“ wird im Kontext des thematischen Forschungsverbundes „LowEx-Bestand“ (www.lowex-bestand.de/) ein neues Wärme- und Stromversorgungskonzept entwickelt und umgesetzt. Neue WP-Technologien werden in Bestands-MFH demonstriert. Die fünf Gebäude mit jeweils 30 bis 40 Wohneinheiten wurden 1963 erbaut, 1995 energetisch saniert und weisen im Mittel einen spezifischen Heizwärmebedarf von 53 kWh/m²a auf.

Ziel des innovativen Energiekonzepts ist die „intelligente“ Verknüpfung etablierter Technologien (Photovoltaik, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerk) für eine möglichst hohe Reduktion von CO2-Emissionen bei einem rentablen Betreiberkonzept (Bild 1):

Auf den Dächern aller fünf Gebäude werden Photovoltaik (PV)-Module installiert. Der Solarstrom wird dabei vorrangig im Quartier selbst durch die WP bzw. durch die Haushalte verbraucht.
Drei Gebäude werden über ein Blockheizkraftwerk (BHKW) und ein lokales Nahwärmenetz mit Wärme versorgt. Auch der im BHKW erzeugte Strom wird möglichst lokal durch die WP und Haushalte verbraucht.
■ Zwei Gebäude werden jeweils durch eine Wärmepumpe mit innovativer Wärmequelle versorgt:

■ Die Quelle der ersten WP ist eine Kombination aus Erdsonden und einer Außen­luft­einheit. Die dafür entwickelte Mehrquellenhydraulik ermöglicht einen effizienten Quelleneinsatz bei limitiertem Platz für Erdwärmesonden unter Ausnutzung der Vorteile der jeweiligen Wärmequellen.

■ Die Quelle der zweiten WP sind hybride photovoltaisch-thermische Kollektoren (PVT-Kollektoren). Wärmeübertrager auf der Rückseite der PV-Module liefern dabei beinahe ganzjährig die benötigte Verdampferleistung und versprechen zusätzlich eine Wirkungsgradverbesserung durch Kühlung der PV-Module.

Zur Deckung der Spitzenlast kommen in der Heizzentrale und in jedem mit WP versorgten Gebäude jeweils ein Gaskessel zum Einsatz.

Alle fünf Gebäude sind durch ein lokales 400 V-Stromnetz gekoppelt. Der Betrieb der Wärmepumpen und des BHKW wird dafür so an PV-Einspeisung und Benutzerverhalten angepasst, dass möglichst wenig Strom ins Netz zurückgespeist wird. Dies ermöglicht neben dem ökonomischen Betrieb auch niedrige CO2-Emissionen. Insgesamt wird eine Reduktion der CO2-Emissionen gegenüber dem jetzigen Stand um 70 % angestrebt.

Um günstige Einsatzbedingungen für Wärmepumpen in den Bestands-MFH zu ermöglichen, wird in der Konzeption und Planung auf eine geeignete hydraulische Einbindung bei möglichst niedrigen Betriebstemperaturen der WP geachtet. Im Forschungsvorhaben liegt der Fokus dabei auf der Wärme­erzeu­gungs­seite, während Eingriffe in die bestehende Verteil- und Übergabesysteme, insbesondere in den Wohneinheiten, auf ein Mindestmaß beschränkt sind. Dazu wurden unterschiedliche LowEx-Ertüchtigungsmaßnahmen verglichen und auf ihre Rea­li­sier­bar­keit untersucht.

In diesem Beitrag wird der gezielte Austausch einzelner, gering dimensionierter Heizkörper zur Absenkung der Heizkurve untersucht. Im Folgenden wird zunächst die Heizlast je Raum berechnet. Durch Vergleich mit der installierten Heizkörperleistung bei unterschiedlichen Systemtemperaturen werden so gezielt die jeweils unterdimensionierten Heizkörper identifiziert. Anschließend erfolgt eine Betrachtung der Auswirkung einer Absenkung der Heizkurve auf die Jahresarbeitszahlen und den Strombezug der WP-Anlage. Die Gebäude werden dafür bei unterschiedlichen Systemtemperaturen mit Luft- und Erdreichwärmepumpen simuliert und energetisch bewertet. Für die abschließende Bewertung der LowEx-Maßnahme werden die Kosten für den Heizkörperaustausch dem Nutzen durch eingesparte Stromkosten gegenübergestellt.

Raumweise Heizlastberechnung und Identifikation unterdimensionierter Heizkörper

Um die Systemtemperaturen der Heizung gegenüber dem jetzigen Stand (Erdgas-NT-Kessel, Baujahr 1994) abzusenken, ist ein Vergleich der installierten Heizkörperleistung mit der raumweisen Heizlast notwendig. Heizkörper mit einer zu geringen Übertragungsleistung bei vorgesehener Systemtemperatur müssen folglich ausgetauscht werden.

Die Gebäude wurden im Jahr 1995 energetisch saniert (Hüllflächendämmung, Fensteraustausch), so dass der spezifische Raumwärmebedarf mit 53 kWh/m²a bereits einen vergleichsweise niedrigen Wert aufweist. Zwei Gebäudetypen sind im Quartier vorzufinden: Gebäudetyp 1 in den beiden südlichen Gebäuden mit Wärmepumpen und Gebäude­typ 2 in den drei nördlichen Gebäuden mit Wärmenetzanschluss. Die Gebäude unterscheiden sich in der Anzahl an Wohnungen, der Gebäudekubatur und dadurch, dass bei Gebäudetyp 2 das Dachgeschoss ausgebaut wurde.

Im Rahmen des Forschungsprojekts berechneten die Fachplaner des Ingenieurbüros Schuler (IBS) die raumweise Heizlast basierend auf der Bauphysik entsprechend DIN EN 12831 [6]. Die Normheizlast wurde dazu für die Norm-Außentemperatur von TUmg = -12 °C bestimmt. Als Solltemperaturvorgaben für die Räume wurden TRaum = 20 °C im Schlafzimmer, Küche und Kinderzimmer, TRaum = 22 °C im Wohnzimmer und TRaum = 24 °C im Bad angenommen.

Die Leistung der installierten Heizkörper wurde, basierend auf den Herstellerangaben, aus den entsprechenden Datenblättern ermittelt. Dabei sinkt die übertragbare Leistung bei geringeren Systemtemperaturen, so dass je Heizkörper die Leistung entsprechend für unterschiedliche Heizkurven bestimmt wurde.

In Bild 2 sind für alle Räume im Gebäudetyp 1 die Heiz­kör­per­leis­tung bei vier unterschiedlichen Systemtemperaturen über die raumweise Heizlast aufgetragen. Alle Heizkörper, die links der Winkelhalbierenden im ersten Quadranten liegen, weisen bei der jeweiligen Systemtemperatur eine zu geringe Leistung auf. In diesen Räumen liegt bei den entsprechenden Vor- und Rücklauf-Nenntemperaturen ein Versorgungsengpass vor. Um die Systemtemperaturen abzusenken, ist also ein gezielter Austausch dieser Heizkörper durch Heizkörper mit einer höheren Übertragungsleistung notwendig. Alle Räume rechts der Winkelhalbierenden sind ausreichend versorgt. Die Nennleistungen dieser Heizkörper sind also auch für abgesenkte Systemtemperaturen ausreichend.

Basierend auf der raumweisen Heizlast- und Heizkörperberechnung kann die Anzahl der unterdimensionierten Heizkörper ermittelt werden (Tabelle 1). Bei Systemtemperaturen von Tnenn,VL/Tnenn,RL = 70 °C/55 °C sind alle Heizkörper ausreichend dimensioniert. Bei 65 °C/50 °C (nicht im Diagramm dargestellt) muss lediglich einer der 150 Heizkörper ausgetauscht werden. Bei 60 °C/50 °C (nicht im Diagramm dargestellt) sind vier Räume (3 %) betroffen. Für 55 °C/45 °C müssen insgesamt 17 Heizkörper (11 %) ausgetauscht werden.

Die Räume mit Engpässen befinden sich dabei hauptsächlich in Eckzimmern und in den Wohnzimmern im Obergeschoss mit relativ hohen Trans­mis­sions­ver­lus­ten. Hierfür wurde jeweils eine Toleranz von 100 W angenommen: Wenn eine Heizkörperleistung nur knapp unterhalb der raumweisen Heizlast lag, kann auf einen Austausch verzichtet werden.

Diese raumweise Heizlastberechnung wurde ebenfalls für die drei Gebäude des Gebäudetyps 2 durchgeführt. In diesen Gebäuden müssten deutlich mehr Heizkörper ausgetauscht werden. Für Systemtemperaturen von 60 °C/50 °C ist bereits ein Austausch von 29 % der Heizkörper notwendig. Aufgrund der deutlich geringeren Sensitivität der BHKW gegenüber erhöhten Betriebstemperaturen wird in diesen Gebäuden auf einen Heizkörperaustausch verzichtet.

Jahressimulation von Wärmepumpen-Heizsystemen

a) System-Varianten und Parameter

Die Auswirkung von abgesenkten Systemtemperaturen auf die Jahresarbeitszahl (JAZ) und den Strombezug der Wärmepumpe wurden mittels Jahressimulation untersucht. Dazu wurden zwei Typen von WP mit jeweils 60 kWth Nennleistung verglichen:

- eine Außenluft-/Wasser-Wärmepumpe (Luft-WP) mit einer Leistungszahl von 3,7 bei A2/W35 und
- eine Sole-/Wasser-Wärmepumpe mit Erdwärmesonden (Erd-WP) mit einer Leistungszahl von 4,8 bei B0/W35.

Die genannten Leistungszahlen gelten jeweils für eine wärmesenkenseitige Austrittstemperatur von 35 °C und auf Seite der Umgebungswärmequelle für eine Außenlufttemperatur von 2 °C (Luft-WP) bzw. für eine Sole-Eintrittstemperatur von 0 °C (Erd-WP). Dafür wurde das Kennfeld von marktverfügbaren Wärmepumpen parametrisiert, so dass für jeden Zeitschritt und jede Betriebstemperatur die jeweilige Leistungszahl und verfügbare Wärmepumpen-Heizleistung entsprechend der Datenblattangaben berechnet wird. Die gewählten Produkte befinden sich dabei im oberen Effizienzdrittel der marktverfügbaren Wärmepumpen. Die Simulation wurde in einer am Fraunhofer ISE entwickelten Pythonumgebung zur Berechnung, Optimierung und Bewertung von Wärmepumpen-Heizungsanlagen durchgeführt.

Das Systemschema der WP-Anlage ist in Bild 3 dargestellt. Das Gebäude hat eine Heizlast von 60,4 kW und eine durchschnittliche Last zur Erwärmung des Trinkwassers und Deckung der Speicher- und Zirkulationsverluste von 7,4 kW, also eine kombinierte Wärmelast von 67,8 kW bei einer Normaußentemperatur von –12 °C. Für eine einfache Bewertung des Systems wird ein monoenergetisches System betrachtet: Wenn die Heizleistung der Wärmepumpe zur Deckung der Last nicht ausreicht oder wenn maximale Vorlauftemperaturen der Wärmepumpe von 65 °C überschritten werden, liefert ein Heizstab die fehlende Leistung. Der Einsatz des Zusatzerzeugers erfolgt im bivalent-parallel Modus, d.h. der Heizstab wird parallel zur Wärmepumpe zugeschaltet und läuft nie allein.

Messdaten der bestehenden Gebäude bilden die Grundlage für die Simulation. Dafür wurden die historischen Verbräuche der letzten fünf Jahre ausgewertet. Der jährliche Heizwärmeverbrauch des Gebäudes beträgt demnach 113 MWh/a. Mit einer nutzbaren Wohnfläche von 2.113 m² beträgt der spezifische Heizwärmeverbrauch des Gebäudes somit 53,5 kWh/m²a.

Außerdem unterzog das Inatech der Universität Freiburg ein Gebäude (Gebäudetyp 1) einem detaillierten Monitoring zur messtechnischen Erfassung des Ist-Zustands. Basierend auf diesen dynamischen Messdaten wurden synthetische Lastprofile mit der Simulationssoftware „SynPRO“ erstellt [7]. Diese Lastprofile liefern den Heizwärme-, den Warmwasser- und den Strombedarf der Haushalte in einer minütlichen Auflösung, die auf Grundlage eines stochastischen Modells generiert wurden.

In Bild 4 ist die Gesamtheizlast (Trinkwarmwasser und Raumwärme) als Tagesmittelwert über der Außentemperatur für Gebäude­typ 1 dargestellt. Es zeigt neben den gemessenen Tageswerten (Monitoring, rot) die Auswertung der simulierten „SynPRO“-Profil (Tageswerte und Regressionsgerade, grün). Die Monitoringwerte wurden auf Basis des Kesselgasverbrauchs im Zeitraum 27. Oktober 2018 bis 31. Juli 2019 mit dem örtlichen Stadtgas-Heizwert und einem gemessenen mittleren Kesselnutzungsgrad von 80 % berechnet. Die so auf Basis der Tagesmittelwerte ermittelte Heizgrenze beträgt 16,8 °C. Somit stimmt die sich aus „SynPRO“ ergebende Heizgrenze gut mit der im Ist-Monitoring ermittelten Heizgrenze überein.

Das Histogramm in grauen Balken zeigt, wie sich der Gesamtwärmebedarf (TWW und Heizung) über der Außentemperatur (Tagesmittelwert) verteilt. Die Außentemperatur ist in Intervalle von 2-K-Schritten unterteilt. Der höchste Wärmebedarf liegt im Temperatur-Bin von 4 bis 6 °C mittlerer Außentemperatur. In dem betrachteten Jahr (Meteonorm-Wetterdaten von Karlsruhe, Bezugszeitraum 2000 bis 2009) traten keine Temperaturen unterhalb eines Tagesmittels von TUmg = ‑8 °C auf.

In der Simulation werden die Heizungstemperaturen außentemperaturgeführt mittels Heizkurve geregelt. Dazu werden die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen entsprechend dem gleitenden Tagesmittel der Außentemperatur angepasst. Für die Radiatorheizkörper wird ein Exponent von n = 1,3 angenommen.

b) Ergebnisse der Simulation

Die Ergebnisse der Jahressimulation sind in Bild 5 und Tabelle 2 dargestellt. Dabei wird nur die Bereitstellung von Heizwärme analysiert, obwohl das Systemmodell zusätzlich die Warmwasser­bereitung abbildet.

Durch den Heizkörperaustausch können die mittleren Systemtemperaturen abgesenkt werden: Bei 70 °C/55 °C betragen die mit der Heizlast gewichtete mittlere Vorlauftemperatur 58 °C und die Rücklauftemperaturen 48 °C. Durch den Heizkörperaustausch sinken die mittleren Temperaturen auf 44 °C im Vorlauf und 39 °C im Rücklauf. Die mit der Heizlast gewichtete mittlere Soletemperatur beträgt 3 °C, die mittlere Außenlufttemperatur ebenfalls 3 °C, die mittlere Vorlauftemperatur der Heizung 44 °C und die mittlere Rücklauftemperatur 39 °C.

Die abgesenkten Systemtemperaturen steigern die Jahres­arbeits­zahlen der Wärmepumpe für die Raumwärme deutlich: bei der Luft-WP steigt die Jahresarbeitszahl von 2,7 bei 70 °C/55 °C um 21 % auf 3,3 bei 55 °C/45 °C. Die Erd-WP erzielt bei 70 °C/55 °C eine JAZ von 3,2. Eine Absenkung der Systemtemperaturen auf 55 °C/45 °C steigert die JAZ um 28 % auf 4,1. Unter Berücksichtigung des Strombedarfs für die Zusatzheizung beträgt damit die Reduktion des Strombezugs für die Luft-WP 4,2 kWh/m²a bzw. 18,5 % und für die Erd-WP 3,9 kWh/m²a bzw. 22,7 %.

c) Ökonomische und ökologische Bewertung

Zur Bewertung der ökonomischen Machbarkeit der LowEx-Maßnahme müssen die Kosten für den Austausch der Heizkörper den eingesparten Betriebskosten der Wärmepumpe durch geringeren Stromverbrauch über deren Betriebszeit gegenübergestellt werden.

Der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung liegen folgende Annahmen zugrunde:

- Investitionskosten für den Austausch je Heizkörper I0 = 500 €. Diese setzen sich aus Heizkörperkosten in Höhe von 250 € je Heizkörper mit 500 W Heizleistung bei 70/55 °C und 250 € für die Installation zusammen.
- Kalkulations-Zinssatz von i = 3 % und Betrachtungszeitraum bzw. Lebensdauer der Anlage von n = 20 Jahren. Die Investitionskosten für den Heizkörpertausch werden per Annuitätenmethode auf ein Jahr umgelegt [8].
- Für die Stromkosten wird innerhalb dieses Projekts ein ver­güns­tig­ter Strombezugspreis von 21 ct/kWh angesetzt, der sich aus dem Betreiberkonzept ergibt. Eine zukünftige Steigerung der Strombezugskosten wird nicht berücksichtigt.
- Der CO2,eq-Emissionsfaktor für Bezug von Strom aus dem Stromnetz beträgt 523 g/kWh ([9], Emissionsfaktor von 2016). Der Emissionsfaktor von Erdgas beträgt 220 g/kWh bezogen auf den Heizwert und für das Referenzsystem wird ein Kessel­nutzungsgrad von 80 % angenommen.

Daraus ergeben sich je erzielter Systemtemperatur unterschiedliche Investkosten für den Austausch der Heizkörper. Um Nennvorlauf- und -Rücklauftemperaturen von 55 °C/45 °C zu erreichen, müssen beispielsweise 17 Heizkörper ausgetauscht werden, was einer annuisierten jährlichen Abschreibung der Investitionskosten in Höhe von 571 € entspricht.

Demgegenüber stehen die eingesparten Stromkosten durch die verbesserten Jahresarbeitszahlen und einem verringerten Einsatz der Zusatzheizung. Bei Systemtemperaturen von 55 °C/45 °C werden bei dem betrachteten Luft-Wärmepumpensystem beispielsweise 9.024 kWh/a gegenüber Systemtemperaturen von 70 °C/55 °C eingespart. Bei den angelegten Strompreisen von 21 ct/kWh entspricht dies einer jährlichen Einsparung der Stromkosten von 1.410 €. Vergleicht man In­ves­ti­tions­kos­ten für die Heizkörper mit den eingesparten Stromkosten, ergibt sich daraus insgesamt eine annuisierte jährliche Einsparung von 838 €. Bei dem untersuchten Erdwärmesonden-Wärmpumpensystem betragen die Einsparungen 746 €/a.

Insgesamt erzielen alle drei untersuchten Systemtemperaturen für beide Wärmepumpentechnologien eine positive Kostenbilanz: die Stromeinsparungen fallen deutlich höher aus als die Kosten für den Heizkörperaustausch. Der Schritt von Systemtemperaturen von 60 °C/50 °C auf 55 °C/45 °C liefert bei 13 weiteren Heizkörperwechsel eine weitere Einsparung von 114 €/a bzw. 35 €/a. Beim Schritt von 60 °C/55 °C auf 55 °C/45 °C ist somit eine präzisere Abwägung zwischen höheren Invest- und geringeren Betriebskosten notwendig.

Neben der positiven Auswirkung des Heizkörperwechsels auf Strombedarf und Betriebskosten reduziert die Absenkung der Systemtemperaturen wegen des geringeren Strombezugs auch die CO2-Emissionen. Die eingesparten CO2-Emissionen durch den Wechsel der Heizkörper betragen bis zu 4,7 tCO2/a, bzw. 19 %. Im Vergleich zu den jetzigen CO2-Emissionen durch die Erdgaskessel beträgt die Einsparung durch die Wärmpumpe 28 % für die Luft-WP und 45 % für die Erd-WP ohne Heiz­kör­per­aus­tausch. Mit Heizkörpertausch beträgt die Einsparung 41 % (Luft-WP, 55 °C/45 °C) und 57 % (Erd-WP, 55 °C/45 °C).

Die durch den Wechsel der Heizkörper zusätzlich ein­ge­spar­ten CO2-Emissionen betragen damit bei einer vorhandenen Luft-WP 4,7 tCO2/a, bzw. 18 %, bei einer Erd-WP 4,4 tCO2/a oder 23 % (Tabelle 3).

Zusammenfassung und Ausblick

Der Austausch einzelner Heizkörper zur Absenkung der Systemtemperaturen stellt eine minimalinvasive Maßnahme zur LowEx-Ertüchtigung von Bestands-Mehrfamilienhäusern für den Einsatz von Wärmepumpen dar. Durch die Identifizierung und den gezielten Austausch von einzelnen, knapp dimensionierten Heizkörpern können die Vor- und Rücklauftemperaturen des Heizsystems abgesenkt werden, so dass die Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpen deutlich steigen und der Heizstabeinsatz bei gleicher Auslegung der Wärmepumpe gesenkt wird.

Dazu wurden am Beispiel eines Demonstrationsgebäudes im Karlsruher Stadtteil Durlach für jeden Raum die Norm-Heizlast berechnet und mit der installierten Heizkörperleistung verglichen. Demnach reicht der Austausch von 3 % aller Heizkörper, um die Nenn-Vorlauf- und -Rücklauftemperaturen von 70 °C/55 °C auf 60 °C/50 °C abzusenken. Beim Austausch von 17 Heizkörpern (11 %) können die Systemtemperaturen sogar auf 55 °C/45 °C abgesenkt werden. In anderen Gebäuden variiert der Anteil auszutauschender Heizkörper deutlich. Eine individuelle Betrachtung der raumweisen Norm-Heizlast und installierten Heizkörperleistung in der Entwurfsphase ist daher für einen gezielten Heizkörperwechsel zur Absenkung der Systemtemperaturen notwendig.

Jahressimulationen eines Wärmepumpen-Heizsystems zeigen, dass durch die Absenkung der Systemtemperaturen die Jahresarbeitszahlen der betrachteten Luft-Wärmepumpe von 2,7 auf 3,3 gesteigert werden kann, bei der betrachteten Erdreich-Wärmepumpe von 3,2 auf 4,1. Die Absenkung der Heizkurve reduziert damit die verbauchsbedingten Betriebskosten durch den geringeren Strombezug für Kompressor und die elektrische Zusatzheizung um 23 %.

Im untersuchten Gebäude ist diese Maßnahme, neben Energie­effizienz- und CO2-Gründen, auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten darstellbar. Die Kosteneinsparungen durch geringeren Strombezug übersteigen die Kosten für den Austausch der Heizkörper deutlich, so dass jährliche Kosteneinsparungen von 838 € erzielt werden.

Im nächsten Schritt wird die LowEx-Maßnahme in Kombination mit einem hydraulischen Abgleich in den beiden Gebäuden mit Wärmepumpe umgesetzt. Durch wissenschaftliches Monitoring werden Betriebserfahrungen gesammelt und die tatsächlichen Einsparungen bewertet. Neben dem Austausch einzelner Heizkörper ist als LowEx-Maßnahme für eine energieeffiziente Trinkwarmwasser-Bereitung die Integration einer Ultrafiltrationsanlage zur Filtration von Legionellen im Zirkulationsrücklauf geplant. Damit kann die thermische Desinfektion vermieden werden, was eine deutliche Absenkung der Warmwassertemperaturen bedeutet.

Das innovative Quartierskonzept mit Wärmepumpen, Photovoltaik und BHKW wird voraussichtlich bis Mitte 2020 realisiert und anschließend einem detaillierten Monitoring unterzogen, um Energieeffizienz und CO2-Einsparungen im realen Betrieb zu bewerten. Nach erfolgreicher Erprobung soll das Energiekonzept auf weitere Quartiere mit Mehrfamilien-Bestandsgebäuden übertragen werden. Dies kann ein wichtiger Schritt sein zur deutlichen Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand.

Literaturverzeichnis

[1] IPCC: Climate change 2014: Mitigation of climate change. Summary for Policymakers and Technical summary. Geneva: Intergovernmental Panel on Climate Change 2015 [2] BMWi: Energieeffizienz in Zahlen. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017) [3] Bürger, V., Hesse, T., Quack, D., Palzer, A., Köhler, B., Herkel, S., u. Engelmann, P.: Klimaneutraler Gebäudebestand 2050, Climate Change 06/2016 (2016) [4] Wapler, J., Hess, S., Kleinstück, M., Ohr, F., u. Bongs, C.: Wärmepumpen-Systeme im Mehrfamilienhaus-Bestand. DKV-Tagung 2018, Aachen, AA IV.17, Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein (2018) [5] DVGW: Arbeitsblatt W 551 2004-4 – Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums; Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen. Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches (2004) [6] DIN EN 12831-1:2017-09, Energetische Bewertung von Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast – Teil 1: Raumheizlast, Modul M3-3; Deutsche Fassung EN_12831-1:2017 [7] Fischer, D., Härtl, A. u. Wille-Haussmann, B.: Model for electric load profiles with high time resolution for German households. Energy and Buildings 92 (2015), S. 170 bis 179 [8] VDI: VDI 2067 – Wirtschaftlichkeit gebäudetechnischer Anlagen – Grundlagen und Kostenberechnung. Blatt 1 (2002) [9] UBA: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2018. Umweltbundesamt. Climate Change 10/2019 (2019)

Danksagung

Das Verbundvorhaben „EnEff:Stadt – KA-Durlach: Smartes Quartier Karlsruhe-Durlach“ wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03ET1590B gefördert.

Wir bedanken uns bei unseren Projektpartnern für die gute Zusammenarbeit. Ebenfalls möchten wir uns bei Martin Kleinstück und Felix Ohr für die Unterstützung bei der Simulationsdurchführung bedanken. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

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