267. Folge Von Dr. Herbert Rudolf, Hauptgeschäftsführer des BHKS

Gebäudetechnik zieht an Hochbau vorbei

Vor wenigen Tagen hat die Imtech Deutschland GmbH, früher Rudolph Otto Meyer, mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihren 150. Geburtstag gefei­ert. Das Unternehmen hat sich in den 110 Jahren des Bestehens des BHKS bzw. seiner Vorgänger stets aktiv nicht nur in die Weiterentwicklung der Branche, sondern auch ihrer ältesten Branchen-Organisation eingebracht. Als Beitrag zum Unternehmensjubiläum, zugleich auch als Dank und Anerkennung, wird ihm die nachfolgende Untersuchung gewidmet.

In der deutschen Bauwirtschaft ist Bedeutendes geschehen, in den letzten we­nigen Jahren. Weit­gehend unbemerkt in der Be­ob­achtung selbst der Fachöf­fent­lichkeit hat sich der Wirtschaftszweig Gebäudetechnik an dem Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lang dominierenden (Roh-)Hochbau langsam, aber unzwei­felhaft vorbeigeschoben. Sollte diese Situation anhalten, müssten wichtige Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung künftig anders als bisher ablaufen.

Dass der stets und überall sich vollziehende Strukturwandel in der Bauwirtschaft diese epochale Veränderung genommen hat, ist nicht so leicht zu übersehen, weil es keine Statistik gibt, aus der die wirtschaftliche Bedeutung der beiden Sektoren Hochbau einer­seits und Gebäudetechnik andererseits ohne Weiteres ab­lesbar wäre. Man muss sich vielmehr selbst auf den Weg be­ge­ben, um Ele­mente aus den ver­schiedensten Statistik-Bereichen zusammenzutragen. Dabei kommt man auch stellenweise nicht an Schätzungen vorbei, die das gesamte Re­chenwerk un­genau, und damit angreifbar, machen. Gleichwohl: Alle hier vor­ge­nommenen Rechnungen und Schätzungen sind mit größtmöglicher Leiden­schaftslosigkeit vollzogen worden, so, wie es ein fachkundiger Analyst ohne jegliche Interessenbindung vermutlich auch getan hätte.

Die Struktur der Bauwirtschaft

Es ist üblich, und es entspricht den praktischen Gegebenhei­ten, das gesamte Baugewerbe in zwei große Gruppen einzutei­len: das Bauhaupt- und das Aus­bau­gewerbe. Zum Bauhauptgewerbe werden alle Wirtschaftssubjekte gezählt, deren Tätigkeit überwiegend darin besteht, Hochbau­ten im Rohbau zu errichten, Tiefbau­vorhaben auszuführen oder be­stim­mte Spezialbauarbeiten vor­zu­nehmen. Wirtschaftssub­jek­te des Ausbaugewerbes neh­men Ausbauarbeiten unter Ein­schluss von Reparatur- und Unter­hal­tungs­arbeiten am Bau vor. Diese eher sachlogisch begründete Ein­teilung hat in der Klassifikation aller Wirtschafts­zweige der deutschen Wirtschaft unter der Bezeichnung WZ 2003 ihren for­ma­len Niederschlag gefunden. Gleiches geschah auf europäi­scher Ebene im Rah­men des so genannten NACE (nomenclature générale des activités économi­ques) – Systems. In einer unkomplizierten Durchnummerierung aller Wirt­schaftszweige trägt das Baugewerbe sowohl in der WZ 2003 als auch in der NACE (Rev. 1.1) die Nummer 45 [1]. Wie nahezu alle anderen Wirtschaftszweige auch wird das Baugewerbe in den genannten Klassifizierungs-Systemen unter­teilt in so genannte „Abteilungen“, deren Struktur aus Tabelle 1: „Struktur des Baugewerbes“ ersichtlich ist.

Die Suche nach den Daten

Das Problem, das Menschen zu lösen haben, die die in Tabelle 1 genannten Wirt­schaftsbereiche quantifizieren – und damit ihre jeweilige Bedeutung bewerten – wollen, besteht darin, möglichst konsistente Datensätze für möglichst niedrig aggregierte Gruppen von Wirtschaftssubjekten zu finden. Es ist dies keine einfa­che Aufgabe, weil gerade für den Bereich des Ausbaugewerbes die verfügbare amtliche Datenmasse alles andere als zufrieden stellend zu bezeichnen ist. Un­mittelbar ablesbar ist nur sehr wenig. Man muss daher aus mehreren Quellen die jeweils belastbaren Informationen sammeln, kritisch bewerten und zu einem größeren Puzzle zusammen setzen. (Dipl.-Kffr. Anne Burkard hat sich dieser Aufgabe in einer mühsamen, aber vorbildlichen Weise unterzogen, ohne die diese Untersuchung nicht möglich gewesen wäre. Der Autor und alle, die an dem Artikel Gefallen finden sollten, haben ihr dafür zu danken.)

An statistischen Grundlagen für das Baugewerbe in Deutschland sind im We­sentlichen vorhanden:

1. die Umsatzsteuerstatistik, in der jeweils alle Unternehmen erfasst werden, die im Kalenderjahr Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Lieferungen und Leistungen oberhalb von 17 500 € je Jahr abgegeben haben. Nicht er­fasst werden somit Jahreszahler, also Unternehmen, die keine Voranmel­dung abgeben müssen, Unternehmen mit jährlichen Umsätzen bis zu 17 500 € und Unternehmen, die keine Umsatzsteuer bezahlen müssen. Abgesehen von den letztgenannten, quantitativ eher untergewichtigen Ausnahmen, haben die Daten aus dieser Statistik eine recht hohe Qualität (Anmerkung: Im Jahr 2006 haben etwas mehr als 3 Mio. Unternehmen in Deutschland Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben. Die Lieferungen und Leistungen aller Unternehmen erreichten 4,93 Bio. €).

2. die Totalerhebung im Bauhauptgewerbe: auf der Grundlage des Gesetzes über die Statistik im Produzierenden Gewerbe (ProdGewStatG) vom 21. März 2002 wird in allen Betrieben des Bauhauptgewerbes jährlich einmal eine Reihe von Merkmalen erfragt: u.a. Zahl der Beschäftigten, ihre Stel­lung im Betrieb, Bruttolohn- und -gehalts-Summe, Umsatz etc. Die Qua­lität der erfassten Daten wird von der Statistik-Verwaltung des Bundes als „hoch“ eingestuft.

3. Die unter 2. zitierte Totalerhe­bung ist die Ergänzung zur monatlichen bzw. vierteljährlichen Bauberichterstattung ebenfalls im Bauhauptge­werbe, die allerdings nur in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten so­wie bei allen Arbeitsgemeinschaften unab­hängig von ihrer Beschäftigten­zahl durchgeführt wird. Auf die­se Weise entstehen regelmäßig Bau­daten für 5 bis maximal 10 % aller Betriebe.

4. Teil der Bauberichterstattung ist auch eine vierteljährliche Teil­erhebung in Betrieben des Ausbaugewerbes, die sich ebenfalls auf die Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten beschränkt.

5. die Zusatzerhebung im Ausbaugewerbe, die jährlich einmal in allen Be­trieben des Ausbaugewerbes mit zehnund mehr tätigen Personen durchge­führt wird.

Eine besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang noch die ver­dienstvollen, langjährigen Bemühungen einer Sondereinheit im DIW – Deut­sches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin, die den Begriff des „Bauvolu­mens“ in die fachliche Diskussion eingeführt hat und mit seiner Hilfe versucht, die unterschiedlich motivierten Lücken, die sich bei der Datenerfassung zwangsläufig ergeben, für eine aktuelle Bewertung des Baugeschehens zu schließen.

Ab 2005 Gebäudetechnik vorne

Wenn man alle die soeben skizzierten Schwierigkeiten bei der Datensammlung in einer fachlich vertretbaren Weise überwindet, entsteht ein Bild, das in Bild 1 „Umsatz Hochbau und Bauinstallation“ wiedergegeben wird. Es zeigt, dass bis zum Jahr 2000 die Umsätze des Hochbaus als Teil des Bauhauptgewerbes („Roh“-Hochbau) z.T. deutlich über denen der Gewerke der Bauinstallation ge­legen haben. Die Jahre 2001 bis 2004 waren durch eine Situation „auf Augen­höhe“ zwischen beiden Sektoren gekennzeichnet. Das Jahr 2005 markierte inso­fern einen Umbruch, als die Umsätze der Gewerke der Bauinstallation erstmals deutlich über denen des Hochbaus lagen. Dies gilt auch für die beiden sich an­schließenden Jahre (siehe auch Tabelle 2: „Die Umsätze im Hochbau und in der Bau­installation“).

Ein kritischer Teil der aus Bild 1 und Tabelle 2 folgenden Darstel­lung betrifft den Teilsektor „Däm­mung gegen Kälte, Wärme, Schall, Erschütterung“. Er wird in allen internationalen und nationalen Systematiken ganz zweifelsfrei dem Be­reich „Bau­ins­tallation“ und damit nahe­­zu ohne Einschränkungen dem Ausbau­gewerbe zugewiesen. In der WZ 2003 steht er als Nummer 45.32 zwischen „45.31 Elektroinstallation“ und „45.33 Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallatio­nen“ und rubriziert damit unter den gebäudetechnischen Gewerken im engeren Sinn. Gleichwohl werden viele Fachkollegen den Bereich dem „Bauhauptgewerbe – Hochbau“ zuschlagen wollen. Ein näherer Blick in die Abgründe der WZ 2003 zeigt als Aktivitäten, die dem Code „45.32“ zuge­ordnet sind u.a.: Akustikbau, Akustikinnenbau, Bauinstallation (Dämmung ge­gen Kälte, Wärme, Schall und Erschütterung), Brand­schutzarbeiten, Dämm­ar­beiten (auch an Kesseln und Rohren), Folienbeschichtung von montierten Fen­sterscheiben zur Dämmung gegen Kälte und Wärme, Trockenbau, Isolierbau, Lärm­dämmung in Bauwerken, Rohr­isolierung, Strahlenschutzbau, Tankisolie­rung und Tankschutz.

Tabelle 3: „Bauinstallation und sons­tiges Ausbaugewerbe“ legt nahe, dass, selbst wenn ein größerer Teil der unter der Nummer „45.32“ rubrizierten Tätigkeiten aus fachlicher Sicht dem Hochbau zugeschlagen würde, immer noch ein Über­gewicht der bauinstallierenden Gewerke verbleibt, die wir uns in den letzten Jahren immer mehr angewöhnt haben als „Gebäudetechnik“ zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass auch umgekehrt ein Teil der Aktivitäten, die die Statistik dem Hochbau oder anderen Wirtschaftszweigen zurechnet, offensichtlich instal­lierenden Charakter haben. Zwei Beispiele für andere ist die Ausgliederung der „Installation von kälte- und luft­technischen Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“ sowie der „Verlegung von Kabeln, Frei- und Fahrleitungen“ aus den Bereichen der Bauinstallation.

Fazit

Es kann keinen vernünftigen Zweifel geben: die gebäudetechnischen Gewerke haben seit zwei, drei Jahren den Hochbau ein-, ja überholt und stehen ihm nun Aug’ in Auge auf den Märkten der Bauwirtschaft gegenüber.

[1] Ab 1. Januar 2008 müssen alle neuen europäischen Statistiken nach den neuen Systemen WZ 2008 bzw. NACE – Rev. 2 erstellt werden. Das Baugewerbe ist darin etwas anders strukturiert als bisher. Die Umstellung der Daten der bisherigen Kategorien auf
die neuen Kategorien wird wohl einige Jahre in Anspruch nehmen.

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