Energiesparkonzept für das evangelische Krankenhaus Gießen

Steigende Energiekosten, veraltete MSR- und Anlagentechnik und der zu hohe Energieverbrauch pro Bett waren Gründe für den Verein für Kranken-, Alten- und Kinderpflege zu Gießen die bestehenden Anlagen auf ihre Optimierungspotentiale hin zu untersuchen.

Steffen Bepler, technischer Leiter des Krankenhauses, war seit längerem auf der Suche nach einem geeigneten Gesamtkonzept und setzte sich aus oben genannten Gründen mit den Stadtwerken Gießen AG (SWG) in Verbindung.

Matthias Fink, Projektleiter seitens der SWG, erarbeitete zusammen mit dem Betreiber ein Konzept, das Optimierungen in den nachfol­gend erläuterten Bereichen vorsah.

Das Gesamtkonzept sieht als Betreiber der Erzeugungsanlagen die SWG vor, welche dem Kranken­hausbetreiber das Endprodukt Wär­me verkaufen. Die Verträge wur­den so ausgestaltet, dass das Gesamtinvestitionsvolumen von rund 1,2 Mio. € für beide Seiten wirtschaftlich abgebildet werden konnte.

Dieses Konzept wurde gemeinsam mit dem Kunden zur Ausfüh­rung gebracht. Hierbei wurde eine Einsparung hinsichtlich des Wär­meverbrauches im Bezug auf das Basisjahr 2005 von 40 % in Aussicht gestellt. In der Stromversorgung rechnet man ebenfalls, bezogen auf das Jahr 2005, mit einer Einsparung von mindestens 30 %.

 

Energiekonzept

Einer der beiden vorhandenen Warmwasserkessel wurde mit einem Abgaswärmetauscher ausgerüstet, so dass hier der Brennwert des eingesetzten Erdgases genutzt werden kann.

Es wurde ein BHKW mit einer Leistung von 49 kWel und 96 kWth implementiert. Die thermische Leistung ist so bemessen, dass damit die Trinkwarmwasserbereitung abgedeckt wird.

Entsprechend der Planung läuft das BHKW 8760 h/a abzüglich der Zeit für Wartung und Instandhaltung. Das BHKW wurde nicht für den Inselbetrieb ausgelegt. Hierfür stand bereits ein Notstromaggregat zur Verfügung, dessen Anlagentechnik erst vor einem Jahr auf den Stand der Technik gebracht wurde.

Die Maßnahmen machten eine komplette hydraulische Optimierung aller Verbraucher sowie der gesamten Wärmeverteilung notwendig, um hier für die zum Nutzen des Brennwertes erforderliche niedrige Rücklauftemperatur von < 45 °C ganzjährig zu erreichen.

Im ersten Schritt wurden bestehende Pumpenreihenschaltungen eliminiert, was zur Demontage von zehn Pumpen mit einer elektrischen Anschlussleistung von 12 kW führte. Der Pumpenstrom von rund 100 000 kWh/a für diese Pumpen wurde somit sofort eingespart.

Aktuell erfolgt die Wärmeverteilung bedarfsorientiert durch im Rücklauf der Wärme­er­zeu­ger angeordnete Netzpumpen. Diese werden nach dem Dif­fe­renzdruck an ausgewählten Punk­ten im Netz gefahren.

 

RLT-Anlagen

Die RLT-Anlagen wurden grundlegend optimiert. Anhand eines Raumbuches wurde die benötigte Luftmenge für jeden Raum separat ermittelt, um im Anschluss die direkt betriebenen Ventilatoren dimensionieren zu können. Somit konnte die installierte Anschlussleistung der Lüftermotoren von 340 auf 180 kW reduziert werden. Alle Lüftermotoren werden über Frequenzumformer angesteuert, so dass eine minimale Stromaufnahme in jedem Betriebszustand ermöglicht wird. Zur optimalen Ausnutzung der Wärmeenergie im Winter und zur Nutzung der adiabaten Kühlung im Sommer, wurden alle Lüftungsanlagen mit einer hocheffizienten WRG-Anlage ausgerüstet.

Die Optimierung der Anlagentechnik hatte zur Folge, dass diverse Heizregister der RLT-Anlagen durch neue, an die Situation angepasste, ersetzt werden mussten. Der Senkung der Systemtemperaturen von 90/70 °C auf 70/40 °C stand die Leistungsminderung positiv entgegen, so dass nicht alle Heizregister ausgetauscht wurden.


Statische Heizflächen

Für den Abgleich der rund 280 statischen Heizflächen wurden diese mit voreinstellbaren Ventilen ausgestattet, welche den Volumen­strom des Heizmediums auf ein erforderliches Maß reduzieren. Das vorgefundene Einrohrsystem im Verwaltungs- und Praxisgebäu­de wurde mit einer neuen Regelung ausgestattet, welche mit einer gleitenden Rücklauftemperaturbegrenzung Einfluss auf die Temperaturspreizung zwischen Vor- und Rücklauf nimmt. Weiterhin wurden einzelne Stränge mit dynamischen Volumenstromreglern bestückt, um auch hier den Volumenstrom des Heizmediums Wasser unter Berücksichtigung der Behaglichkeit in den Räumlichkeiten auf ein Minimum zu beschränken.

 

Trinkwarmwasserbereitung

Die Trinkwarmwasserbereitung wurde auf ein Plattenwärmetauschersystem umgerüstet, so dass die Trinkwarmwassererzeugung jetzt bedarfsorientiert im direkten Durchfluss erfolgt. Somit konnte auf die aus hygienischer Sicht ohnehin kritisch zu bewertende Boilerbatterie mit einem Gesamtbevorratungsvolumen von 4000 l verzichtet werden.

Weiterhin wurde das Trinkwarmwassernetz im Haus, unter Berücksichtigung der einschlägigen technischen Regeln, hinsichtlich der Hydraulik optimiert. Nicht erforderliche Leitungen wurden rückgebaut, was wiederum zu einer Senkung der Zirkulationswärmeverluste und zur Senkung der Stromaufnahme der Zirkulationspumpe führte. Der letzte Schritt war die Absenkung der Systemvorlauftemperatur, um auch im Wärmeverteilsystem die Verluste minimieren zu können.

Diese wurde in Teilschritten auf aktuell 70 °C abgesenkt. Diese Temperatur stellte sich als erforder­lich heraus, um die Trinkwarmwasserbereitung im direkten Durch­fluss optimal betreiben zu können.

 

Kälteversorgung

Die Idee, für die Kälteversorgung eine Absorptionskältemaschine einzusetzen, konnte nicht lange aufrecht erhalten werden. Bedingt durch den geringen Prozesskältebedarf, neben dem Bedarf an Kälte zur Luftkühlung in den RLT-Anlagen im Sommer, ist eine wirtschaftliche Realisierung einer Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung nicht zuletzt wegen der nicht vorhandenen Grundlast ausgeschlossen.

Mit dem Einbau der WRG-Anlagen war es ein Leichtes, unter Zuhilfenahme eines Wabenbefeuchters auf der Abluftseite, im Sommer entsprechend das Prinzip der in jeder Hinsicht günstigen adiabaten Verdunstungskühlung zu realisieren. Somit konnte auf weitere Kühlregister in den RLT-Anlagen verzichtet werden.

 

Zusatzmaßnahmen

Als zusätzlichen Nebeneffekt zu diesem Projekt wurde die angrenzende Jugendherberge inklusive Nebengebäude an das vorhandene Nahwärmenetz angeschlossen.

Somit konnte ein weiterer, in die Tage gekommener Ölkessel stillgelegt werden. Die in Planung be­­findliche Erweiterung des Kran­ken­hauses um ein zusätzliches Gebäude soll ebenfalls von der optimierten Erzeugungsanlage aus mit Wärme zu Heizzwecken und zur Trinkwarmwasserbereitung versorgt werden.


Fazit

Das wesentliche Merkmal der Innovation ist in der Komplexität der Gesamtmaßnahme zu sehen. Nach fast einem Jahr Betrieb kann für das hier beschriebene Projekt eine Energiebilanz vorgelegt werden. Die bis dato aufgezeichneten Verbrauchswerte über geeichte Messeinrichtungen für Wärme, Gas und Strom zeigen auf, dass die garantierten Einsparpotentiale noch übertroffen werden.

So wurde eine Reduzierung des Wärmeverbrauchs von 6770 MWh (2005) auf 4103 MWh garantiert. Erreicht wurde aber eine Reduzierung auf einen Verbrauch von 2543 MWh (2008) und damit eine Reduzierung um 62 %.

Dipl.-Ing. Ina Weller, Marketing- und Vertriebsleiterin, Stadtwerke Gießen AG, 35398 Gießen

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