Vom Supermarkt zum „Smart Home“

Energetische Sanierung in Mainz

13 Jahre stand ein ehemaliger Supermarkt in Mainz-Gonsenheim leer. Als der Architekt Alexan­der Maier das Flachdachgebäude aus dem Baujahr 1968 sah, wusste er sofort: „Das wäre ein toller Standort für unser Büro.“ Zehn Jahre nach der ersten Inaugenscheinnahme hatte er die Nutzungsänderung vom Laden zum Büro- und Wohnhaus in der Tasche. Seit dem Sommer 2016 residiert er mit seinem Architekturbüro Zeit + Raum in dem inzwischen umgebauten Supermarkt. Die drei Wohnungen, die er zusätzlich eingebaut hat, waren umgehend vermietet. 

Das Gebäude, das in seiner Struktur nicht verändert wurde, ist auch ein Musterbeispiel für eine energetische Sanierung und zukunftsfähige Energieversorgung. Die Photovoltaikanlage mit 76 Panasonic-Modulen „HIT“, die von unten nicht zu sehen sind, ermöglicht zusammen mit dem Batteriespeicher einen hohen Autarkiegrad in der Stromversorgung des Büros.

Alexander Maier stammt aus einer Architektenfamilie, die Häuser in dritter Generation plant und baut. Mit seinem Büro hat er sich auf Architektur, Immobilien und Facilities spezialisiert. Moderne Technik ist sein Steckenpferd, und so war ihm bei der neuen Immobilie auch gleich klar, dass er hier viel Innovatives ausprobieren will. „Altes, traditionelles Denken erschreckt mich“, sagt der 53-Jährige, und fügt hinzu: „Wenn es heute möglich ist, dass Häuser Energie produzieren, dann sollte man das auch nutzen.“ Dass die Elektromobilität dazu gehört, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit.

Bei der Planung kristallisierten sich die konkreten Ziele schnell heraus. Zunächst einmal wollte Alexander Maier das Gebäude in seiner Form so belassen, wie es war. Dann wollte er einen KfW-Standard erreichen und er wollte keine Lüftungsanlage. Und das Gebäude sollte mehr Strom produzieren, als er mit seinem Büro verbraucht.

Dämmung und regenerative Energie

Der Boden bekam neuen ­Estrich und wurde mit 16-cm-Dämmplatten versehen. Die Wände bekamen ebenfalls eine 16-cm-Dämmung, das Dach 30 cm mit Mineralwolle. Die dreifachverglasten Fenster haben einen U-Wert von 0,9 W/(m²K).

Der ehemalige Supermarkt wurde entkernt. Zusätzlich zum Büro wurden drei Wohnungen eingeplant. Zwei befinden sich im Erdgeschoss, eine im Obergeschoss über dem Büro. Zusammen haben sie eine Wohnfläche von 400 m2. Das Architekturbüro hat eine Nutzfläche von ca. 300 m2, 200 m2 davon im Erdgeschoss und 100 m2 im Untergeschoss.

Um möglichst wenig Energie aus dem Netz beziehen zu müssen, sollte möglichst viel regenerative Energie genutzt werden. Deshalb ließ Alexander Maier auf dem Flachdach von dem Fachunternehmen Sonnenkönig aus Nieder-Olm eine PV-Anlage mit Panasonic-Modulen „HIT“ mit 18,62 kWp montieren. Die 76 Module sind in Ost-West Ausrichtung und mit einem Neigungswinkel von 10° aufgeständert. „Für die Module ,HIT‘ habe ich mich entschieden, weil ich den höchsten Wirkungsgrad haben wollte“, begründet Alexander Maier seine Wahl. Hinter der Attika versteckt, kann man die PV-Module nur von der gegen­über­lie­gen­den Straßenseite sehen. Die PV-Anlage, die im April 2016 in Betrieb ging, erzeugt rund 20.000 kWh/a. Der Stromverbrauch in dem Architekturbüro liegt bei rund 12.000 kWh/a. Darin sind die Vollklimatisierung, LED-Beleuchtung und IT-Systeme enthalten. Die Anlage hat somit einen Überschuss von 8.000 kWh/a. Da Alexander Maier möglichst viel Solarstrom selber nutzen wollte, hat er zusätzlich eine Tesla-Batterie mit 6,4 kWh Speicherkapazität einbauen lassen. Mit dieser Kombination aus PV-Anlage und Solarspeicher konnte er in den zwölf Monaten bis Mai diesen Jahres 55 % des Stroms vom eigenen Dach im Büro nutzen und erzielte damit eine Autarkiequote von 57 %. Der Direktverbrauch lag somit bei 43 %.

Für die Wärmeversorgung hat er sich für ein Stirling-BHKW mit 25 kWth und 1 kWel entschieden. Über eine Wärmepumpe, zum Heizen und Kühlen, kann er in der heißen Jahreszeit, wenn die PV-Anlage viel Energie bereitstellt, den Solarstrom zur Kühlung selber nutzen. Der gesamte Stromverbrauch liegt bei rund 14.000 kWh/a, da der Architekt auch ein Elektroauto fährt. Zwei Ladestationen hat er vor dem Gebäude aufstellen lassen, eine davon für Mitarbeiter und Gäste. 

Faszination „Smart Home“ 

Als Fan fortschrittlicher Technik hat Alexander Maier im Büro „Smart Home“-Steuerungen einbauen lassen. Mit den Einzelsteuerungen kann er die LED-Leuchten und die Musik, die Haustechnik und das Energie-Monitoring steuern, die über eine Benutzeroberfläche miteinander verbunden sind.

Inzwischen denkt der Architekt schon an Erweiterungen: Die Photovoltaikanlage will er auf 50 kW ausbauen. Auf dem hinteren Teil des Gebäudes, also über den beiden Wohnungen, gibt es noch Platz auf dem Dach. Zwei weitere Solarspeicher will er anschaffen, so dass er eine dreiphasige Speicherkapazität von 38,70 kWh hat. Zu den zwei Ladestationen sollen vier weitere kommen. Denn Alexander Maier plant auch, seinen Fuhrpark komplett auf elektrisch umzustellen. Ende 2018 will er drei elektrisch betriebene Firmenwagen haben.

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