Das Bauforderungssicherungsgesetz

Bewertung des Endberichts zur Evaluation

Nach einer fast eineinhalbjährigen Projektlaufzeit hat die TU Bergakademie Freiberg dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) kürzlich ihren Endbericht zur Evaluation des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz – BauFordSiG) vorgelegt.

Das BauFordSiG hatte am 1. Ja­nuar 2009 das seit dem Jahr 1909 geltende Gesetz zur Siche­rung von Bauforderungen (GSB) abgelöst. Heftige Kritik an den getroffenen Neuregelungen aus der Wirtschaft führte jedoch dazu, dass die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode etwa zehn Monate später vereinbarten, das BauFordSiG umfänglich hinsicht­lich dessen Zielerreichung zu über­prüfen.

Zunächst wurde diese Überprüfung von einer vom BMVBS eingesetzten Arbeitsgruppe vorgenommen, deren Schwerpunkte auf einer Bestandsaufnahme zur Anwendung des Gesetzes in der Praxis und den sich bei der Anwendung ergebenden praktischen Problemen, den rechtlichen Problemen bei der Harmonisierung mit dem Gesellschafts- und Insolvenzrecht sowie der Bedeutung von Verbraucherrechten lag.

Die aus dieser Arbeitsgruppe gewonnenen Erkenntnisse waren dann vom BMVBS in einem Re­fe­rentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BauFordSiG eingeflossen, der jedoch mehrheitlich ebenfalls als nicht praxistauglich kritisiert wurde.

Weil die Länder sowie einzelne Verbände eine Änderung des
BauFordSiG vollständig ablehnten und forderten, dass zusätzlich zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppe umfassende, repräsentative Untersuchungen zu den Auswirkungen des BauFordSiG durchgeführt werden, wurde die TU Bergakademie Freiberg als externer Forschungsnehmer mit einer umfassenden und repräsentativen Untersuchung beauftragt, um über den gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu entscheiden.

Zweck des BauFordSiG

Das BauFordSiG soll sicherstellen, dass das für ein bestimmtes Bauwerk zur Verfügung gestellte Baugeld zur Bezahlung derjenigen verwendet wird, die bei der Erstellung oder dem Umbau eines Bauwerks durch ihre Leistung beteiligt sind. Den Beteiligten soll die Durchsetzung von Werklohnforderungen erleichtert und so Zahlungsausfälle vermieden werden.

Umgesetzt wurde diese Zielsetzung durch eine erhebliche Erweiterung des Baugeldbegriffes. Dem Baugeldbegriff im Sinne des BauFordSiG unterfallen nicht mehr – wie nach dem GSB – nur grundpfandrechtlich gesicherte Gelder, bei denen die Ansprüche des Geldgebers aus dem Darlehensvertrag durch eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück gesichert sind (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 BauFordSiG), sondern sämtliche Geldbeträge, die in der Bauleistungskette Bauherr – Generalunternehmer – Nachunternehmer – Baustofflieferant weitergegeben werden sollen (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 BauFordSiG). Damit sind grundsätzlich alle Zahlungen, die ein am Bau beteiligtes Unternehmen erhält, Baugeld im Sinne des BauFordSiG.

Durch diese baustellenscharfe Separierung von Baugeld sollen insbesondere Nachunternehmer davor geschützt werden, dass das für eine bestimmte Baumaßnahme gezahlte Baugeld nicht für diese verwendet wird, sondern zur Begleichung anderer Forderungen oder der Finanzierung anderer Projekte. Zudem regelt das BauFordSiG, dass sich derjenige, der das Baugeld nicht zweckentsprechend zur Bezahlung der von ihm beauftragten Unternehmen verwendet, im Falle seiner Insolvenz schadensersatz­pflichtig und nach § 2 BauFordSiG sogar strafbar macht.

Praktische Probleme

In der Praxis hat insbesondere die Verpflichtung zur baustellenscharfen Separierung von Baugeld große Umsetzungsprobleme hervorgerufen. Neben erheblichem bürokratischem Aufwand können durch die Befolgung der Vorschriften des BauFordSiG Liquidiätsprobleme hervorgerufen werden. So kann das Verbot, Baugeld zur Finanzierung anderer Baustellen verwenden zu dürfen, dazu führen, dass eingehende Baugelder ungenutzt und in abgesicherter Form auf Konten liegen, während Leistungen im Rahmen anderer Bauvorhaben aus nicht zweckgebundenem Eigenkapital oder mittels Kreditaufnahme finanziert werden
müssen.

Kredite für Zwischenfinanzierungen von Material oder sons­tigen Vorleistungen werden jedoch unter Umständen verweigert, weil die Unternehmen ihre eigenen Vergütungsansprüche
aus laufenden Bauleistungen gerade wegen der baustellenscharfen Verwendungspflicht nicht zur Kreditsicherung abtreten können.

Den Vorschlag einer Aufhebung der baustellenspezifischen Verwendungspflicht von Baugeld durch den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BauFordSiG hatte der BTGA daher als Rückgewährung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit ausdrücklich unterstützt.

Evaluation durch die TU Bergakademie Freiberg

Die Studie der TU Bergakademie Freiberg hat die Auswirkungen der Regelungen des geltenden BauFordSiG untersucht, um die Grundlagen für einen möglichen gesetzlichen Handlungsbedarf zu eruieren. Die Regelungen des BauFordSiG wurden mit Blick auf Zielerreichungsgrad, ihre Praktikabilität und Auswirkungen analysiert. Im Mittelpunkt stand die Prüfung von praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Gesetzes sowie der Auswirkungen des BauFordSiG auf die Liquidität der Bauunternehmen und auf Zahlungsausfälle bei den Nachunternehmen.

In die Untersuchungen wurde dabei auch einbezogen, ob mit dem vom BMVBS vorgelegten Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BauFordSiG praxistaugliche, interessengerechte Verbesserungen erreicht werden können, die Regelungen zum Gesetzesentwurf ganz oder teilweise entfallen sollen oder Änderungen für notwendig erachtet werden.

Eine große Aussagekraft kann dem Ergebnis der Studie indes nicht beigemessen werden, da lediglich 607 von ca. 350 000 Baubetrieben den als Grundlage der Evaluierung herausgegebenen Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Das Ausbaugewerbe, welches rund drei Viertel der Betriebe ausmacht, war stark unterrepräsentiert. Zudem ist die Evaluierung insofern „schief“, als zu wenige Kleinbetriebe an der Befragung teilgenommen haben. Die reale Struktur des deutschen Baumarkts wird daher vom Ergebnis der Studie nicht abgebildet.

Von den 607 Unternehmen, die den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben, fordern 40 % die Streichung des Gesetzes, 27 % möchten das Gesetz beibehalten, es jedoch mit Änderungen oder Ergänzungen versehen. 21 % der Teilnehmer sprechen sich für die unveränderte Beibehaltung des Gesetzes aus. 12 % fühlen sich durch das Gesetz nicht tangiert.

1. Anwendung der Anforderungen des BauFordSiG

Mehr als die Hälfte (53 %) der 607 Teilnehmer antworteten auf die Frage, ob sie den Anforderungen des BauFordSiG nachkommen, mit „Nein“. Zwar führt offensichtlich die Mehrheit der Betriebe (ca. 70 %) eine baustellenscharfe Kontierung durch, doch wird Baugeld eben häufig nicht nur für das dazugehörige Projekt verwendet. 74 % der Betriebe gaben an, erhaltenes Baugeld immer bzw. häufig an Nachunternehmer auszuzahlen, 20 % beantworteten die Frage nicht. 61 % der Betriebe verwenden erhaltenes Baugeld immer bzw. häufig für Eigenleistungen. Hier antworteten 25 % gar nicht. 49 % der Betriebe gaben an, Baugeld immer, häufig oder gelegentlich für andere Baustellen zu verwenden (Cash-Pooling), wobei 31 % der Betriebe hier gar nicht geantwortet haben. Insofern stellt der Abschlussbericht fest, dass man diese 31 % eigentlich zu den 49 % aufschlagen könnte, weil die Betriebe, die bezüglich der Verwendung des Baugelds ein gutes Gewissen hätten, sicherlich mit „nie“ oder „selten“ geantwortet hätten.

2. Auswirkungen auf die Liquidität

Anders als erwartet, sehen bei der Liquidität, beim Kreditrahmen und bei den Sicherheiten für Gläubiger 86 bis 88 % der Betriebe keine Veränderungen bzw. können die entsprechende Situation nicht beurteilen, bei der Eigenkapitalfrage sogar 93 %. Hier gibt es kaum Unterschiede zwischen Groß- und Kleinbetrieben. Von den ohnehin schon wenigen Teilnehmern der Studie sind es so durchweg nur kleine Prozentzahlen, die in dieser Beziehung einen Einfluss des BauFordSiG zu erkennen glauben, im positiven wie im negativen Sinne. Von den 12 bis 14 %, die Auswirkungen des BauFordSiG erkennen, meint die Mehrheit (9 bis 11 %, bei Eigenkapital 7 %), dass diese Aus­wirkungen negativ sind.

3. Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten

Zwar stellt die Studie eine über die letzten zehn Jahre fast gleichmäßige Verbesserung des Zahlungsverhaltens der Betriebe fest. Ein Qualitätssprung nach 2009, der möglicherweise auf die Einführung des BauFordSiG zurückgehen könnte, ist jedoch nicht zu erkennen.

Nur 14 % der Betriebe glauben, dass sie in Zukunft aufgrund des BauFordSiG weniger Zahlungsausfälle haben werden, etwas mehr als 21 % glauben an die Schutzfunktion des BauFord­SiG vor Forderungsausfällen.

4. Aufwand bei der Implementierung

Nach Einführung des BauFordSiG mussten Unternehmen, die den Vorgaben des Gesetzes folgen wollten, in der Regel ihre kaufmännischen Prozesse ändern. Sofern das an der Befragung teilnehmende Unternehmen hier bereits Änderungen vorgenommen hatte, sollten die hierfür angefallenen Kosten ermittelt werden. Die Kostenerhöhungen durch das BauFordSiG werden dabei durch 47 % der Betriebe, die das BauFordSiG anwenden, als moderat angegeben. Gut ein Drittel davon meldet keine Kostenerhöhung. Hier gab es lediglich einige wenige Ausreißer, die sehr hohe Kostensteigerungen angaben.

5. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf

Schlussfolgernd stellt der Endbericht fest, dass sich aus den Ergebnissen der Befragung kein sofortiger, unmittelbarer gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt. Auch lasse das geringe Interesse am BauFordSiG den Schluss zu, dass die befürchteten negativen Folgen wie sinkende Liquidität der Unternehmen, ge­ringere Kreditlinien und erhöh­ter Verwaltungsaufwand bisher weitgehend ausgeblieben seien.

Fazit

Zwar sind die von der TU Bergakademie Freiberg aus der Studie gezogenen Ergebnissen insofern nachvollziehbar, als sie sich auf den Kreis der Unternehmen beschränken, die tatsächlich an der Studie teilgenommen haben. Aus der verschwindend ge­ringen Beteiligung jedoch allgemeingültige Rückschlüsse zu ziehen, scheint geradezu verwegen.

Festgehalten werden muss vielmehr, dass es der TU Bergakademie Freiberg nicht gelungen ist, einen auch nur ansatzweise repräsentative Anzahl von Unternehmen zur Teilnahme an der Studie zu gewinnen. Mit einer Teilnahme von weniger als 1 % der Betriebe aus dem Bauhauptgewerbe und weniger als 0,05 % der Betriebe aus dem Ausbaugewerbe kommt der Studie somit kaum Aussagekraft zu.

Dazu geeignet, die Kritik am BauFordSiG zu mildern oder gar verstummen zu lassen, ist der durch die TU Bergakademie Freiberg vorgelegte Endbericht daher nicht. Vielmehr müssen die aus der Wirtschaft erhobenen Forderungen, insbesondere die nach einer Aufhebung der Pflicht zur baustellenscharfen Separierung von Baugeld, aufrecht erhalten werden.

Änderungen vor Ablauf der laufenden Legislaturperiode sind indes nicht zu erwarten. Die nächsten Regierungsfraktionen seien jedoch schon jetzt aufgerufen, die Auswirkungen des BauFordSiG nicht nur zu beobachten, sondern die durch das Gesetz in der Praxis entstandenen Schwierigkeiten zu beheben.

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