Rechenzentren effizient kühlen

Teil 1: Grundlagen, Methoden zur Rechenzentrums­klimatisierung
Klimaanlagen in Rechenzentren laufen rund um die Uhr. Durch die hohen Wärmelasten ist auch eine Klimatisierung im Winter erforderlich. Zudem müssen meistens exakte Bedingungen in Bezug auf Temperatur und Luftfeuchte eingehalten werden, da Server entsprechend empfindlich sind und Ausfälle in Rechenzentren immer mit hohen Ausfallkosten, Vertragsstrafen und Imageschäden einhergehen. Die zweiteilige Artikelserie zeigt Planungs- und Ausführungsaspekte für die Rechenzentrumskühlung auf.

Rechenzentren werden i. d. R. nach nationalen Standards sowie nach internationalen Planungsgrundsätzen errichtet. Neben allgemeinen Richtlinien, wie etwa der VDI 2054 und der VDI 2047, müssen je nach Projektanforderung auch zusätzliche Normen beachtet werden, z. B. die Rechenzentrumsnorm DIN 50600.

Es gibt den klassischen Aufbau, in dem ein ganzer Raum mit Servern gekühlt werden muss. Ein Aufbau mit Einhausungen und Trennung nach Kalt- oder Warmgängen ist ebenfalls sehr beliebt, weil hierbei High-Density-Bereiche gezielter klimatisiert werden können. Zudem werden Serverschränke mit integrierter „In-Rack“-Kühlung immer wichtiger, weil dieser Klimatisierungsansatz sehr gezielt eingesetzt werden kann und gerade in etwas kleineren Rechenzentren für deutlich mehr Flexibilität sorgt. Eine Besonderheit sind zudem Rechenzentren in Outdoor-Containern, die im Bereich der Telekommunikation oder im Bereich dezentraler IT-Lösungen wie dem Edge Computing zum Einsatz kommen.

PUE bei Rechenzentren

In Zeiten steigender Strompreise und strengerer Umweltschutzauflagen ist der Energieverbrauch für viele IT-Manager und Rechenzentrumsbetreiber ein Dauerthema, mit dem zunehmend auch spezialisierte Klimaexperten konfrontiert werden. Dies zeigt sich insbesondere im ständigen Ringen um immer niedrigere PUE-Werte (Power Usage Effectiveness) im Bereich von Neuinstallationen und Nachrüstungen. Die international genutzte Kennzahl PUE stellt den Quotienten aus dem Gesamtenergieverbrauch eines Rechenzentrums und der Energieaufnahme der IT-Komponenten dar und gibt damit Auskunft über die Energieeffizienz eines Rechenzentrums. Moderne Rechenzentren erreichen heute bereits PUE-Werte von 1,4 und darunter. Dabei spielt die Klimaanlage eine entscheidende Rolle. Ist die Klimatechnik nicht optimal ausgelegt oder veraltet, können bis zu 50 % des Gesamtenergieverbrauchs auf das Kühl- und Umluftsystem entfallen. Will man also wettbewerbsfähige PUE-Werte von 1,4 und darunter erreichen, ist eine wesentliche Maßnahme die Begrenzung des Energieeinsatzes für die Klimatisierung.

Verfügbarkeitsklassen: welche Ausfallzeiten können toleriert werden?

Steigende Energiekosten und zunehmende Leistungsdichten im Rechenzentrum stellen gerade an die Klimatisierung hohe Anforderungen, da diese auch bei modernen Anlagen noch bis zu 25 % des Gesamtenergieverbrauchs eines Rechenzentrums ausmacht. Präzisionsklimatisierungssysteme und die zentrale Kälteerzeugung sparen Energiekosten und sorgen gleichzeitig für einen ausfallsicheren Rechenzentrumsbetrieb mit Verfügbarkeiten von bis zu 99,999 %. Zur Definition der Verfügbarkeitsklassen liegen heute unterschiedliche Rahmenwerke vor, z. B. die DIN 50600 oder der Leitfaden betriebssichere Rechenzentren vom Bitkom-Verband. Dieser sieht 5 Verfügbarkeitsklassen vor (Tabelle 1).

Tabelle 1: Verfügbarkeitsklassen nach Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI.
Bild: Bitkom e. V.

Tabelle 1: Verfügbarkeitsklassen nach Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI.
Bild: Bitkom e. V.

Anforderungen an die Kühlleistung durch die Leistungsdichte

Lag die durchschnittliche Nennleistung eines Serverracks vor wenigen Jahren noch bei ca. 5 bis 8 kW/h, bringen es moderne Blade-Server heute schon auf 25 bis 40 kW/h pro 19“-Schrank. Betrachtet man diese rasante Entwicklung, wird ersichtlich: An Präzisionsklimatisierungslösungen für Rechenzentren werden i. d. R. deutlich höhere Anforderungen gestellt, als etwa an herkömmliche Mono-Split-Komfortklimaanlagen, wie sie in Bürogebäuden oder Gewerberäumen zum Einsatz kommen.

Präzisionsklimatisierungssysteme verfügen über eine sehr hohe Regelgenauigkeit mit einer maximalen Abweichung von nur 1 K. Denn anders als bei der Raumklimatisierung dient die Kühlung im Rechenzentrum in erster Linie der uneingeschränkten Betriebssicherheit. Hier gilt es, die Sollwerte für Temperatur und Luftfeuchtigkeit ohne Unterbrechung rund um die Uhr exakt einzuhalten. Mit durchschnittlich 300 m³/h pro kW ist die bewegte Luftmenge eines Präzisionsklimatisierungsgerätes rund zehn Mal so hoch wie die einer herkömmlichen Komfortklimaanlage, damit die konzentrierten Wärmelasten verlässlich abgeführt werden können.

Anteil sensible und latente Kühlleistung

Um dies leisten zu können, verwenden Klimalösungen in Rechenzentren nahezu 100 % ihrer verfügbaren Kühlleistung zur reinen Temperaturabsenkung, der sogenannten sensiblen Kühlung. Die hohe sensible Kühlleistung ist einer der Hauptunterschiede zum Wirkprinzip herkömmlicher Raumklimasysteme. Denn Komfortklimageräte erzeugen etwa die Hälfte ihrer Kühlleistung über eine permanente Entfeuchtung der Raumluft (Bild 1). Das auch als latente Kühlung bezeichnete Prinzip setzt jedoch voraus, dass die Raumluft genügend Luftfeuchte aufweist, um überhaupt eine ausreichend hohe Temperaturabsenkung erzielen zu können. Da das in IT-Räumen jedoch quasi niemals der Fall ist, eignen sich Split-Klimasysteme eher nicht zur Kühlung von Serverräumen. Hier kommen nur hochwertige Präzisionsklimatisierungssysteme infrage, da diese Systeme für einen zuverlässigen Dauerbetrieb ausgelegt sind und dank ihres hohen Anteils an sensibler Kühlleistung sehr viel weniger Energie als herkömmliche Split-Klimageräte verbrauchen – und das bei gleichen Leistungsanforderungen.

ASHRAE Empfehlung für Zuluftbedingungen

Im Vorfeld der Klimatisierungsplanung muss geklärt werden, welche Wärmelasten entstehen und mit welchen Temperaturen für Zuluft und Abluft geplant wird. Damit ein Rechenzentrum so effizient wie möglich gekühlt wird, hat die ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers) eine Empfehlung für die Lufttemperatur am Servereintritt veröffentlicht (Bild 2). Da das Rechenzentrumsgeschäft oft nach internationalen Vorgaben arbeitet, sind diese Empfehlungen auch für deutsche Rechenzentren wichtig.

Für die effiziente Kühlung spielt die freie Kühlung (mit kühler Außenluft) eine wichtige Rolle. Inzwischen gibt es viele Varianten, alle mit dem Ziel, den Energieverbrauch des Rechenzentrums zu senken und den PUE-Wert zu verbessern. Wenn es darum geht, die Effizienz von Klimaanlagen in Rechenzentren zu optimieren, sind stromsparende Komponenten wie teillastfähige Ventilatoren und Pumpen sowie eine intelligente Luftführung letztlich nur ein Teil der Gleichung. Denn der Hauptanteil des Energieverbrauchs entfällt nicht auf Ventilatoren und Filtersysteme, sondern auf die Kompressoren. Deren Verbrauchsanteil liegt bei rund 80 %, während die Lüfter im Inneren des Rechenzentrums nur etwa 15 % des Klimastromverbrauchs ausmachen. Als wichtigste aller effizienzsteigernden Maßnahmen gilt daher die Minimierung der Betriebszeiten der mechanischen Kühlung. Begünstigt wird der Einsatz von Freikühlsystemen heute durch die Tatsache, dass das Temperaturniveau in Rechenzentren insgesamt deutlich höher ist als in der Vergangenheit: Während vor zwanzig Jahren die Rücklufttemperatur zwischen 22 °C und 24 °C lag, sind heute Rücklufttemperaturen zwischen 25 °C und 40 °C realistische Standardwerte, wie sie sich z. B. aus den ASHRAE-Empfehlungen für Serverlufteintrittstemperaturen ergeben. Da die Free-Cooling-Option in modernen Präzisionsklimasystemen bereits zur Kühlung genutzt werden kann, sobald die Außentemperatur etwa 5 °C unter der Rücklufttemperatur liegt, bietet selbst Mitteleuropa mit Jahresdurchschnittstemperaturen zwischen 6 °C (Österreich) und 9 °C (Deutschland) heute beste Voraussetzungen für den Einsatz von Free-Cooling-Modulen. Es stellt sich also lediglich die Frage, für welche Variante sich Rechenzentrumsbetreiber entscheiden sollten, um eine maximale Energieeffizienz zu erreichen.

Direkte und indirekte freie Kühlung

Für System zur freien Kühlung muss u. a. beachtet werden, welche Außenlufteigenschaften vorliegen. Hierzu zählen Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit und Reinheit. Direkte freie Kühlung sollte deshalb nur dort zum Einsatz kommen, wo die Luft möglichst wenig ungenügende Eigenschaften hat oder wo diese mit kostentechnisch akzeptablen Maßnahmen kontrolliert werden kann. Bevor die Außenluft in das Rechenzentrum gelangt, muss sie gefiltert werden. Der Vorgang kann, ebenso wie eine Be- und Entfeuchtung, aufgrund der Luftmengen aufwändig und kostenintensiv werden. Zudem ist zu prüfen, ob aus Sicherheitsgründen Einschränkung für Öffnungsgrößen von Außenwänden vorliegen.

Die indirekte freie Kühlung ist oft nicht so effizient wie die direkte freie Kühlung, da immer mindestens ein Wärmeübergang zwischen der Luft im Rechenzentrum und der Außenluft erfolgt. Wenigstens ein Wärmeübertrager ist notwendig, was einen Effizienzverlust zur Folge hat. Bei den indirekten Anlagen werden meist einstufige und zweistufige Freikühlsysteme unterschieden. Einstufige indirekte Systeme arbeiten mit einem Wärmeübergang mittels Luft/Luft-Wärmeübertrager (Bild 3). Darüber hinaus gibt es ein mechanisches Kühlsystem, das zum Einsatz kommt, wenn die Außenluft zu warm ist. Einstufige indirekte Freikühlsysteme benötigen mehr Platz im Vergleich zu Wärmeübertragern in Umluftklimageräten, da die Luft/Luft-Wärmeübertrager im Verhältnis zur Kühlleistung meist größer sind. Des Weiteren werden auch meist große Öffnungen in der Gebäudeaußenwand benötigt, um die Außenluftmengen zum Wärmeübertrager führen zu können.

Die zweistufige indirekte Freikühlung existiert heute in zwei Grundvarianten. Kleinere Rechenzentren bis 500 kW Serverleistung nutzen meist Direktexpansions-Geräte (DX) mit geschlossenem Kältemittelkreislauf, Freikühlwärmeübertrager und externem Rückkühler (Bild 4). Zwischen Klimagerät und Rückkühler zirkuliert ein Wasser/Glykol-Gemisch. Kann die Außenluft das Gemisch nicht hinreichend herunterkühlen, wird die Kälte entweder teilweise oder vollständig durch dezentrale Verdichter in den Klimageräten erzeugt. Ab einer Serverleistung von mehr als 500 kW wird das RZ entweder in Ausbaustufen zu je 500 kW unterteilt und Stufe für Stufe mit DX-Klimatisierungen versehen oder es kommen Rechenzentrumsübergreifende Kaltwassersätze und Freikühlregister außerhalb des Gebäudes zum Einsatz. Ist die Außentemperatur nicht niedrig genug, wird ein Kältemittelkreislauf mit zentralem Verdichter zugeschaltet, der für die erforderliche Kaltwasser-Temperatur sorgt. Auch hier ist es wichtig, dass die Systeme über einen gleitenden Mischbetrieb von Kompressor- und Freikühlung verfügen, sodass die Vorteile der indirekten freien Kühlung so lange wie möglich genutzt werden können.

Unterstützung durch Adiabatik

Der Effekt der indirekten freien Kühlung lässt sich jedoch nicht nur durch gleitenden Mischbetrieb erhöhen. Eine weitere Möglichkeit, die Freikühloption so umfassend wie möglich zu nutzen, ist der ergänzende Einsatz von Verdunstungskühlung (Adiabatik). Bei dieser Technik wird die Außenluft zusätzlich befeuchtet, bevor sie auf den Wärmeübertrager trifft. Durch dieses Verfahren, das je nach Klimasystem mithilfe von Sprühanlagen oder Ultraschallbefeuchtern realisiert wird, wird die Lufttemperatur um bis zu 10 °C abgesenkt. Dadurch kann die Klimatisierung entweder länger im Freikühlbetrieb verbleiben oder der Freikühlanteil im Mischbetrieb erhöht werden. Beides trägt zur Senkung des Energieaufwands für den Kompressorbetrieb bei. Die größte Wirkung besitzt die Adiabatik naturgemäß in ariden Klimaten mit sehr trockener Luft. Doch auch in Mitteleuropa ist ihr Effekt bereits so groß, dass ein Einsatz von Vorteil sein kann. Da der Einsatz von Adiabatik auch Risiken birgt, müssen zur Vermeidung von gesundheitsschädlichen Legionellen Hygienemaßnahmen entsprechend der Verordnung über Verdunstungskühlanlagen (gemäß VDI 2047 und 42. BImSchV) umgesetzt werden.

Rechenzentrumsbetreiber, die auf freie Kühlung mit gleitendem Mischbetrieb und ergänzender Adiabatik setzen und die zudem auf eine optimierte Luftführung im Rechenzentrum achten, haben heutzutage sehr gute Aussichten, die Energieeffizienz der Anlagen signifikant zu verbessern. Darüber hinaus gibt es noch die Option, redundante Kälteerzeuger, die aus Gründen der Ausfallsicherheit im Rechenzentrum vorgehalten werden müssen, aktiv zu nutzen, um so die Klimatisierungslast breiter zu verteilen. Die Energieaufnahme der einzelnen Geräte lässt sich dadurch reduzieren, ohne dass die Sicherheit gefährdet wird. Fällt ein Gerät aus, sind die redundanten Kapazitäten weiterhin vorhanden, und es muss lediglich die Auslastung der verbleibenden Geräte erhöht werden. Wer auch noch diesen Schritt geht, hat alle Maßnahmen umgesetzt, die nach aktuellem Stand der Technik möglich sind.

Ausblick

Im zweiten und abschließenden Teil der Artikelserie in der nächsten tab-Ausgabe werden technische Umsetzungsbeispiele für Rechenzentren aufgezeigt und
erläutert.

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