Nachhaltigkeit durch Regenwassernutzung
Bewässerung und Kühlung mit DachbegrünungBetonkerntemperierung, CO2 als Kältemittel, Photovoltaikanlage, Wärmerückgewinnung und Regenwassernutzung: Das neue E-Center am Hauptsitz der Edeka Südwest soll ein Lebensmittelmarkt der Zukunft werden. Dachflächen des Gebäudes und die Flächen für die Parkplätze werden nach dem Prinzip der Schwammstadt gestaltet. Die Planung der Regenwasserspeicherung muss dabei dennoch allen relevanten Regeln der DIN und Trinkwasserverordnung nachkommen.
Auf dem Gelände des ehemaligen E-Centers im Industriegebiet West von Offenburg entsteht ein Vollsortimenter (Großer Supermarkt mit einer Vielzahl an Warengruppen) mit rund 5.500 m2 Verkaufsfläche, weitere 2.500 m2 Einzelhandels- und Gastronomieflächen und ein sechsgeschossiges Bürogebäude. Der gesamte Komplex erstreckt sich auf fast 200 m Länge und bis zu 40 m Höhe, insgesamt auf 42.585 m2 Fläche. Über dem Eingang des Lebensmittelmarktes entsteht ein Dienstleistungszentrum mit Büroflächen und Zugang zu einem intensiv begrünten Außenbereich sowie rund 1.200 m2 Fläche für Schulungen und Seminare des Edeka-Verbundes. Von Edeka Südwest wurden rund 50 Mio. € in den Offenburger Standort investiert, wo seit 1973 Lebensmittelmärkte betrieben werden. Die Familie Kohler wird das neue E-Center künftig als selbständige Kaufleute betreiben.
Nachhaltiges Betriebs- und Energiekonzept
Das vom Architekturbüro Müller + Partner aus Oberkirch entworfene Gebäude soll sich nach dem KfW-Standard 40 durch ein nachhaltiges Betriebs- und Energiekonzept auszeichnen. Wesentliche Elemente sind die verzögerte Ableitung des Niederschlagswassers durch extensiv und intensiv begrünte Flachdächer und die Speicherung des Niederschlagswasser in einer Regenwassernutzungsanlage. Nahezu die gesamte Dachfläche von 12.848 m2 ist mit 2 bis 5 mm starken Kunststoffdichtbahnen abgedichtet. Davon sind 5.665 m2 Dachfläche an die Regenwassernutzungsanlage angeschlossen. Das Dach wird extensiv (Dachabflussbeiwert 0,3) und intensiv (Dachabflussbeiwert 0,1) begrünt. Für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Dachbegrünungen gelten die „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“, Ausgabe 2018. Diese stehen für Intensivbegrünungen (Dachgärten), einfache Intensivbegrünungen und Extensivbegrünung auf Dächern und Decken, bspw. von Tiefgaragen, mit einer Überdeckungshöhe bis 2 m.
Bei der Intensivbegrünung wird durch den hohen Schichtaufbau ein großer Teil des Regenwassers gespeichert. Dies soll den Direktabfluss reduzieren und die Verdunstungskühlung verbessern. Intensivbegrünungen lassen sich allerdings nur durch eine intensive Pflege mit regelmäßiger Wasser- und Nährstoffversorgung dauerhaft erhalten. Die Pflanzen stellen hohe Ansprüche an den Schichtaufbau der Dachbegrünung. Der intensivbegrünte Teil der gesamten Dachfläche (1.360 m2) wird automatisch durch Feuchtesensoren gesteuert mit Regenwasser bewässert, das in einem von drei Graf Flachtanks „Platin XXL“, die jeweils bis 65.000 l Fassungsvermögen bieten, der Regenwassernutzungsanlage gesammelt wird. Das Regenwasser, welches in den beiden weiteren Flachtanks gespeichert wird, soll zur Bewässerung der Grünanlagen verwendet werden.
Planung nach aktuellen Regelwerken
Bei der Planung der Regenwassernutzungsanlage hat sich das Planungsbüro Cp.plan aus Oberkirch am aktuellen Stand der Regelwerke orientiert: die notwendigen Regenentwässerungsanlagen sind in Übereinstimmung mit der DIN 1986‑100:2016-12 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100 Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“ und der DIN EN 12056‑3:2001-01 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung“ zu planen und auszuführen. Bei Planung und Bemessung, Einbau Kennzeichnung, Inbetriebnahme und Wartung von Regenwassernutzungsanlagen gilt die DIN EN 16941‑1:2024-05 „Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 1: Anlagen für die Verwendung von Regenwasser“. Neben der DIN EN 16941‑1 gelten für Regenwassernutzungsanlagen die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und die „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV)“. Zudem sind noch zusätzlich die Anforderungen der DIN 1989‑100:2022-07 „Regenwassernutzungsanlagen – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 16941‑1“ zu berücksichtigen.
Bei der Dimensionierung der Regenwassernutzungsanlage aus drei Graf Flachtanks ist von einer durchschnittlichen jährlichen Regenspende von 900 mm/m2 ausgegangen worden. Laut der Aufzeichnungen der Stadt Offenburg betrug der Jahresgesamtniederschlag während der vergangenen Klimaperiode 1991 bis 2020 durchschnittlich 890 mm/m2. Berücksichtigt wurde auch ein 100-jähriges Starkregenereignis von 863 l/s*ha.
Gesteuerte Nachspeisung bei Trockenheit
Das Frühjahr war in Offenburg in den vergangenen Jahren von langen Trockenperioden geprägt, 2021 fiel an 29 aufeinanderfolgenden Tagen kein Regen. Deshalb werden für die Dach- und Grünanlagen des Gebäudes auf trockenresistente Pflanzen gesetzt. Um einen Trockenfall in dieser Periode ohne Regen zu vermeiden, wird die Regenwassernutzungsanlage von einer Graf „Aqua-Control+“-Systemsteuerung geregelt. Ein Umschaltventil sorgt bei geringem Füllstand in der Zisterne sensorgesteuert für eine bedarfsgerechte Trinkwassereinspeisung in das Brauchwassernetz. Bereits nach einem kurzen Regenschauer schaltet die Steuerung wieder auf Regenwasserbetrieb um.
Das Planungsbüro hat sich wegen des Einbaus mit einem Bagger und des hohen Grundwasserspiegels für Kunststofftanks entschieden. Die 1,25 m hohen Flachtanks „Platin“ haben laut Angaben des Herstellers Graf eine geringere Einbautiefe gegenüber herkömmlichen zylindrischer Kunststofftanks oder Zisternen aus Beton. Das Regenwasser wird mit Sammelleitungen durch zwei Filterschächte über drei Zuläufe in die „Platin XXL“- Flachtanks geleitet. Diese sind hydraulisch über Rohre mit dem Querschnitt DN 200 miteinander verbunden. Die drei Flachtanks (12,05 x 2,25 x 1,25 m) wurden in einer Tiefe von 2,75 m und einer Bodenüberdeckung von 1,45 m in eine geologische Bodenformation aus sandigen bis stark sandigen Kiesen eingebaut. Die Baugrube wurde vorbereitet, die Tanks eingehoben und vor Ort an die Entwässerung angeschlossen. Die Fläche wird nach der Fertigstellung gepflastert und als Abstellfläche für Fahrräder genutzt.