Klimatisierung hochfrequentierter Ausstellungsräume

Erweiterung des Miniatur Wunderlands in Hamburger Speicherstadt
Das Miniatur Wunderland in der Hamburger Speicherstadt mit seiner mehrfach zur beliebtesten Sehenswürdigkeit Deutschlands gewählten Miniatureisenbahnanlage wurde großzügig erweitert. Durch den Bau einer Brücke über ein 25 m breites Fleet zum gegenüberliegenden Gebäude kommen nun weitere 3000 m² Ausstellungsfläche hinzu. Diese Flächen innerhalb des historischen Backsteingebäudes im Hamburger Hafen mussten für die hohe Anzahl von Besuchern entsprechend klimatisiert werden.

Die Hamburger Speicherstadt ist ein historisches Lagerhausviertel im Hafen von Hamburg. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, besteht aus roten Backsteinbauten mit charakteristischen Zinnen und Türmchen und ist von Kanälen, den sogenannten Fleets, durchzogen. Die Speicherstadt ist Heimat mehrerer Museen und Ausstellungen und ein beliebtes Touristenziel.

Das Miniatur Wunderland wurde 2001 im Gebäude mit der Bezeichnung Block D eröffnet. Es ist heute die größte Modelleisenbahnanlage der Welt. Die Anlage selbst umfasst eine Fläche von mehr als 1.545 m2 mit über 16.000 m Schienen, über 1.100 Zügen sowie fast 300.000 Figuren und zeigt detailgetreu im Maßstab 1:87 verschiedene Landschaften, Städte und Sehenswürdigkeiten aus der ganzen Welt. Die Züge, Fahrzeuge, Schiffe und auch Flugzeuge bewegen sich automatisch und sind mit zahlreichen Licht- und Soundeffekten ausgestattet. Bis zu 1.200 Besucher bewegen sich gleichzeitig durch die Ausstellung, die reine Ausstellungsfläche erreicht mittlerweile über 5.000 m². Der durch eine Brücke nun neu angeschlossene Bereich geht über sieben Etagen mit jeweils 750 m² Fläche. Die Brücke verläuft 16 m hoch über das Fleet und verbindet die Blöcke D und L jeweils in der 3. Etage.

Die Eröffnung der ersten neuen Ausstellungsabschnitte erfolgte am 1. Dezember 2021. Im Erdgeschoss des neu hinzugekommenen Blocks L befindet sich die sogenannte YULLBE-Attraktion. Hier wurde Virtual-Reality-Technik in Zusammenarbeit mit dem Europa-Park Rust (dort gibt es eine ähnliche Installation) in zwei Räumen mit 250 m² und 80 m² verbaut. In der realen Welt sind diese Flächen ohne Einrichtungsgegenstände, nur umgeben von 150 Tracking-Kameras. Die Besucher werden ausgestattet mit VR-Tracking-Helm und Headset, Fuß- und Hand-Trackern sowie einem PC-Rucksack. So ausgerüstet tauchen sie, sobald alles aktiviert ist, in eine virtuelle Welt ein, in der sie sich frei bewegen (Free-Roaming) und verschiedene interaktive Abenteuer mit allen Sinnen erleben können (YouTube-Film: www.t1p.de/751qw)

Anforderungen an die Klimatechnik

Die Berechnungen ergaben einen Bedarf für folgende Leistungen:

4 Lüftungsgeräte mit 24.000 m³/h, 15.000 m³/h, 6.000 m³/h und 4.000 m³/h,

Kälteversorgung mit 600 kW Kälteleistung (555 kW für die Lüftungsgeräte, 75 kW für Serverräume und Nebenräume, 35 kW für die Klimatisierung der Brücke),

Kälteversorgung mit 85 kW für den Schwachlastbetrieb im Winter.

Die hohen Anforderungen an die Lüftungs- und Kältetechnik sind wie im ersten Gebäude Block D durch die zum Teil sehr geringen Deckenhöhen (teilweise kleiner 2,5 m) und die stellenweise sehr hohe Besucherdichte gegeben (siehe KKA Sonderheft Großkältetechnik 2013, www.t1p.de/fxuae). Auch die Genauigkeitsanforderung an die Feuchteregelung im nun neu angeschlossenen Block L sind hoch. Die Feuchtelaständerungen durch die Besucher und die um das Gebäude herum gelegenen Wasserflächen des Hamburger Hafens sowie der Fleets ebenso. Die Modellbahnanlage steht auf einer Holzkonstruktion, die Geländeform in der Anlage besteht aus glasfaserverstärktem Gips. Beides Werkstoffe, die empfindlich auf Feuchteänderungen reagieren.

Die Wege für die Lüftungsverteilung in dem historischen Gebäude mussten erst aufwändig geschaffen werden. Die Einbringung der notwendigen Zuluftmengen sind bei der geringen Deckenhöhe problematisch. Um Zugluft weitestgehend zu vermeiden, wurden die Zuluftwege in den Besucherbereichen größtenteils als mikroperforierter Textilschlauch ausgeführt.

Einbringung der Anlagenteile

Der Dachstuhl des Gebäudedaches besteht aus vernieteten Stahlträgern und konnte für die Einbringung der Anlagentechnik nicht geöffnet werden. Außerdem wäre hierfür nicht nur das Dach sondern auch die Decke zwischen 5. und 6. Boden zu öffnen gewesen, was den Aufwand unverhältnismäßig erhöht hätte.

Man hat sich nach reiflicher Überlegung und Prüfung entschieden, alle Anlagenteile durch die Dachgaube des 5. Bodens einzubringen. Hierzu musste der Kühlturm in Einzelteilen und die große Kältemaschine teilzerlegt angeliefert werden. Die Gaube bietet nur ein freies Maß von 2,0 x 1,8 m.

Wanne aus Folie

Direkt unter der Fläche mit der Anlagentechnik befindet sich ein Teil der Ausstellung mit vielen Exponaten und Teilen der Miniatureisenbahnanlage. Um diese im Fall einer Leckage in der Anlage vor Wasserschäden zu schützen, musste ein Wasserdurchtritt durch die Decke zwischen 4. und 5. Boden sicher verhindert werden. Hierzu wurde der Bereich mit Kühlturm, Kältemaschine, Puffertanks und hydraulischer Weiche mit schwerer Folie unterlegt und diese rundum 25 cm hoch aufgekantet. Die sich dadurch bildende Wanne kann so das Anlagenvolumen im Fall einer Leckage auffangen und die darunterliegende Ausstellung vor einem Wasserschaden schützen.

Anlagenkonzept

Die hauseigene Planungs- und Haustechnikabteilung (Dipl.-Ing. Dirk Rahe) entschied sich, wie auch schon für den Block D, für eine wassergekühlte Kältemaschine und einen offenen Kühlturm, der im Inneren des Gebäudes aufzustellen war. Anders jedoch als im Block D sollte ein Inverter-Schraubenverdichter mit Low-GWP-Kältemittel zum Einsatz kommen. Außerdem sollte eine Schallisolierung der Kältemaschine erfolgen.

Kälteleistung

Die Spitzenlast von 600 kW tritt im Sommer auf, wenn der höchste Besucherandrang in der Ausstellung herrscht, bei gleichzeitig hoher Außenluftfeuchtigkeit durch die das Gebäude umgebenden Wasserflächen. Der Zeitanteil dieses Betriebspunkts ist jedoch gering, in über 95 % der Betriebsdauer der Anlage liegt die Last zwischen 30 % und 80 %. Hierfür wurde eine Kältetechnik ausgewählt, die einen hohen Teillast-Wirkungsgrad hat und gleichzeitig den hohen Schallanforderungen genügt.

Entsprechend dem Lastprofil der Anwendung entschied man sich für den Einsatz eines Inverter-Schraubenverdichters. Durch die Leistungsregelung des Verdichters mittels Frequenzumrichter kann der optimale Arbeitspunkt davon unabhängig den mechanischen Leistungsschieber mittels des Schraubenprofils eingestellt werden. So kann der Verdichter an jedem Lastpunkt an seinem optimalen Betriebspunkt arbeiten.

Durch einen großen Regelbereich der Kälteleistung der Maschine von 25 % bis 100 % kann diese von April bis Oktober alleine die Kälteversorgung sicherstellen. Um bei 25 % Leistung die Kältemittel- und vor allem die Ölzirkulation sicherzustellen, besitzt die Maschine einen Rohrbündelverdampfer mit Spray-Technologie und einen großzügig bemessenen Ölabscheider. Durch die Verwendung von R513A als Kältemittel, mit einem GWP-Wert von 631, und die durch den Spray-Rohrbündelverdampfer reduzierte notwendige Kältemittelfüllung von 105 kg, ergibt sich ein CO2-Äquivalent von rund 65 Tonnen. Die ältere Kältemaschine mit gleicher Kälteleistung im Block D mit Turbocor-Verdichter und überflutetem Verdampfer mit 170 kg Kältemittel R134a mit einem GWP-Wert von 1430 hat dagegen noch ein CO2-Äquivalent von 243 Tonnen.

Im Winter wird eine kleinere gesplittete 85 kW-Kältemaschine mit Scrollverdichtern und externem Verflüssiger eingesetzt. Dieser Verflüssiger sitzt in der Trennwand im Spitzboden und verfügt über gegendruckfähige geregelte Axialventilatoren.

Fortluft und Wärmeabfuhr

Die zur Verfügung stehende Aufstellfläche für die gesamte Technik befindet sich im sogenannten 5. Boden (5. Obergeschoss von 7 Geschossen). Alle Außenluft- und Fortluftmengen der Lüftungsanlagen und des Kühlturms waren ausschließlich über die Dachflächen über dem 6. Boden zu führen. Dem touristisch aktiven und historischen Umfeld des Gebäudes ist es geschuldet, dass die Luftführung für Frisch- und Fortluft optisch möglichst unauffällig ausgeführt sein musste. Dazu wurden Lamellenfelder mit großzügigem freiem Luftdurchtritt in beide Dachseiten gesetzt. Diese beiden Lamellenfelder sind jeweils 3 m hoch und gehen über die gesamte Länge des Blocks L (knapp 30 m). Die Lufttrennung von Außen- und Fortluft erfolgt innerhalb des Spitzbodens (6. Boden) durch eine neu erstellte Trennwand, die unter den Giebel reicht und den Raum in zwei Luftbereiche aufteilt.

Für die 60.000 m³/h Fortluft des Kühlturms, mit denen 720 kW Wärme abgegeben werden, wurde ein separater Bereich mit Lamellen in das Dach gesetzt. Dessen Lamellen bilden lediglich einen optischen Eindruck und haben keine regenabweisende Funktion. Die Frischluft kann frei aus der „Ansaugseite“ des 6. Bodens angesaugt werden, über dem in die entsprechende Dachhälfte auch ein gleich großes Lamellenfeld integriert ist.

Schall

Die Ausstellungsräume, die sich direkt unter der kältetechnischen Anlage befinden, sind nur durch die historische Holzdeckenkonstruktion von dieser getrennt. Das Dach ist nach beiden Dachseiten hin aufgrund der offenen Lamellenbereiche schalltechnisch offen. Die Luftkanäle, die die Decke zum 6. Boden und damit dem Dachbereich durchdringen, haben in der Blechwandung keine schalldämmende Ausstattung. Somit mussten Schalldämmmaßnahmen ergriffen werden.

Besondere Maßnahmen zur Körperschalltrennung waren aufgrund des laufruhigen Inverterverdichters in der Kältemaschine nicht notwendig. Alle luftführenden Aggregate, also ­Lüftungsgeräte und Kühlturm, wurden in ihrem Inneren mit entsprechenden Schalldämmkulissen ausgestattet.

Um die Luftschallemission der Kältemaschine zu minimieren wurde eine komplett geschlossene Schalldämmumhausung Typ „Coin“ installiert. Diese ist mit einer thermostatisch geregelten Zwangsbelüftung ausgestattet, die einer Überhitzung des Innenraums vorbeugt und angesaugte Raumluft über extra Schalldämmkulissen führt. Diese Maßnahme reduziert die Schallemission der Kältemaschine um 16 dB(A) (Schallleistung). Die leichte Abnehmbarkeit der Schalldämmpaneele ermöglicht den einfachen Zugang zur Maschine für Servicearbeiten.

Resümee

Die Anlage ist seit Juni 2022 in Betrieb und versorgt die Ausstellungsflächen, die Büros und Werkstätten und auch die YULLBE-Installation im Erdgeschoss mit Luft und Kälte. Die Technik und das Konzept mit offenem Kühlturm im Gebäudeinneren haben sich bewährt. Die Besucher können die Ausstellung, in der wenig von der verbauten Technik zu sehen ist, entspannt in angenehmer Atmosphäre genießen. Die Raumluft kann ohne Zugerscheinungen (Miniatureisenbahnzüge ausgenommen) das ganze Jahr im richtigen Temperatur- und Feuchtigkeitsbereich gehalten werden – eine gute Klimaanlage spürt, hört und sieht man nicht.

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