Klein-USV: Vision versus Realität

Kundenanforderung zu zentraler unterbrechungsfreier Stromversorgung im Spannungsfeld technischer Realisierung

Die kundenorientierte Planung eröffnet viel Potenzial für Beratungsleistungen. Die Ebert Ingenieure GmbH haben einen ihrer Kunden in der Leistungsphase 3 umfassend zur wirtschaftlichen und ressourcenschonenden Planung einer unterbrechungsfreien Stromversorgung beraten. Diese Stromversorgung ist für die IT-Datennetzwerke eines Zugangs- und Veranstaltungsgebäudes auf einem großen Campus vorgesehen. Dabei entstand ein interessantes Spannungsfeld zwischen den Kundenanforderungen und der technischen sowie wirtschaftlichen Umsetzbarkeit.

Für ein Eingangsgebäude zu einem großen Campus des Liegenschaftsbetreibers wurde eine robuste und verfügbare dauerhafte Versorgung der Datenverteilung der IT-Netze gefordert. Diese sollte nach der vorhandenen Infrastruktur der Liegenschaft geplant werden. Bei einem gemeinsamen Rundgang mit dem technischen Betreuer der Liegenschaft wurde die Problematik der unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) der Standortverteiler der IT-Datennetze im Bestand diskutiert. Der Betreiber verfügt im Bestand über eine Vielzahl von verschiedenen USV-Anlagen, die dezentral in einzelnen Racks der Datenverteilungen eingesetzt werden. Der Betreiber bemängelte bei der Besichtigung der bestehenden USV-Infrastruktur, dass es für das Personal keinen zentralen Anlaufpunkt gäbe, der für die Statusfeststellung, Wartung und Störungsbeseitigung geeignet ist. So kam es zu der Motivation des Kunden, eine zentrale USV für das erste Gebäude nach einem neuen Liegenschafts-Standard anzustreben.

Das Gebäude besteht aus sechs Ebenen, vom 1. Untergeschoss bis zum 4. Obergeschoss. Im Untergeschoss sollte der FMT-Gebäudeverteiler (GVT) und ein FMT-Standortverteiler (SVT) im Hausanschlussraum sowie drei weitere SVT in den Ebenen unterbrechungsfrei versorgt werden. Dabei sollte für die aktiven Komponenten des GVT und der SVT ein unterbrechungsfreier Betrieb, zum Beispiel der Server, Switche und Router, gewährleistet werden (Bild 1).

Aus seiner Erfahrung für den Betrieb ähnlicher Anlagen konnte der Kunde den Leistungsbedarf für die Gesamtanlage aus der Liegenschaft abschätzen und gab als Anforderung einen verhältnismäßig geringen Leistungsbedarf von 20 kW für die IT-Infrastruktur mit einer Überbrückungszeit von 30 Minuten an. Außerdem forderte der Kunde die USV zu zentralisieren und den elektrischen Output auf die IT-Räume zu verteilen. Um den Anforderungen des Kunden zu entsprechen, wurde im ersten Schritt der Planung eine Lösung zur Erfüllung der Anforderungen untersucht. Im Sinne der wirtschaftlichen Planung wurde ein 30 kVA USV-Gerät ausgewählt und zur Grundlage der zentralen USV-Anlage erklärt. Der Rest des Verteilungsnetzes wurde dimensioniert und die für die Netzberechnung erforderlichen Grundlagen, wie Leitungslängen, ermittelt. Neben dem Hauptverteiler mit AV-Bypass und USV-Einspeisung in der Technikzentrale sollten vier Unterverteilungen in den Datenverteilungsräumen vorgesehen werden. Die Endstromkreise der Unterverteilungen sollen für informationstechnische Geräte mit hohen Einschaltströmen geeignet sein. Dazu wurden 16-A-Leitungsschutzschalter mit der Auslösecharakteristik C ausgewählt. Als selektive Vorsicherung in der Hauptverteilung wurden gG Sicherungen mit 50 A Nennstrom ausgewählt, da sie die kleinste selektive gG-Sicherung zu einem C16-Leitungsschutzschalter darstellt (Bild 2).

Diese Vorsicherung wurde gewählt, um erstens dem üblichen Energieverteilungsschema für Unterverteilungen mit normal geringer Leistung (<35 kW, hier max. 20 kW je Verteilung) zu entsprechen und zweitens im Sinne der kundenorientierten wirtschaftlichen Planung die Leitungsquerschnitte der Verteilerzuleitungen so gering wie möglich zu halten.

Für die Netzberechnung des Verteilernetzes wurde die Stromquelle definiert. Dabei wurde erkannt, dass der maximale, zur Verfügung stehende, Kurzschlussstrom des USV-Wechselrichters gerade einmal das 1,5-fache des Nennstroms beträgt. Bei einem 30-kVA-Wechselrichter entspricht der Betriebsstrom ca. 43 A und somit der maximal verfügbare Dreiphasenkurzschlussstrom ca. 64 A. Dieser geringe Kurzschlussstrom liegt noch nicht einmal im Kurzschlussstromauslösebereich der C16-Leitungsschutzschalter, sondern im Überlastbereich. Daraus resultieren theoretische Abschaltzeiten von ca. 3 bis 50 Sekunden am Endstromkreis bei einem Einphasenkurzschlussstrom von 40  A bis 51 A. Dies entspricht keineswegs der Norm DIN VDE 0100-410, welche eine Abschaltzeit von 0,4 s fordert. Noch deutlicher wird die Problematik beim Betrachten des Verteilerstromkreises mit einer 50 A gG-Sicherung. Ein 64-Ampere- Strom liegt nur leicht über der Nennstromstärke der Schmelzsicherung und führt beim Anliegen eines Kurzschlusses erst nach ca. 5.000 s, also deutlich über einer Stunde, zum Abschalten des Stromkreises. Die Norm fordert für Verteilerstromkreise im TN-System eine Abschaltzeit von 5 s.

Erkenntnisse aus der Planung

Es wurde somit bereits in den theoretischen Vorbetrachtungen erkannt, dass das geringe Kurzschlussstromvermögen des USV-Wechselrichters die Hauptursache darstellt, dass eine Zentralisierung der USV nicht umgesetzt werden kann. Da die USV mit dem entsprechenden Wechselrichter in der Gesamtanlage die höchsten Kosten verursacht, wurde eine Minimallösung gesucht, um trotzdem die Abschaltbedingungen der Norm einzuhalten. Ein 200-kVA-Wechselrichter gleicher Bauart, also ebenfalls mit einem Ik3 = 1,5 x In, liefert einen Dreiphasenkurzschlussstrom von 433 A. Dieser ist gerade ausreichend, um den Verteilerstromkreis innerhalb von 5 s abzuschalten (Bild 3). Dabei sind die einphasigen Kurzschlussströme ausreichend hoch, um den magnetischen Kurzschlussauslöser der Leitungsschutzschalter zu bedienen.

Es musste also schon im ersten Entwurf ein zehnfach überdimensionierter, und damit entsprechend kostenintensiverer, 200-kVA-Wechselrichter geplant werden. Unter Beachtung der baulichen Gegebenheiten wurden Leitungslängen für die Verteilerstromkreise zwischen 36 m und 70 m ermittelt. Die Länge der Endstromkreisleitungsanlagen wurden durch die räumliche Nähe mit 15 m angenommen. Die Endstromkreise werden standardisiert betrachtet und als NYM-J 3x2,5 mm² in die Berechnung aufgenommen.

Der übliche Ansatz, für Verteiler bis 50 A (34 kW) wäre eine 16 mm² Zuleitung ausreichend, stellte sich als Trugschluss heraus. Denn in dieser komplexen Situation aus geringen Kurzschlussstromvermögen und Leitungslängen bis 70 m stellt sich die Impedanz der Leitung als maßgebend heraus. Die Impedanz der Leitung verringert sich direkt proportional zur Leitungslänge, aber die Leitungslänge ließ sich auf Grund der baulichen Gegebenheiten nicht weiter reduzieren.

Also lässt sich die Impedanz der Leitung nur mit dem antiproportionalen Anheben des Leiterquerschnitts absenken. Dies führte mithilfe einer computergestützten Berechnung dazu, dass die längste Verteilerzuleitung anstatt mit den erwarteten 16 mm² mit 185 mm² Nennleiterquerschnitt dimensioniert wurde.

Fazit

Dem Ansinnen des Kunden konnte entsprochen werden, aber es galt diesen aufzuklären, dass die USV-Anlage um den Faktor 10 und die Leitungsanlagen um das 12-fache überdimensioniert werden muss.

Dies stellt einen erheblichen finanziellen Investitionsaufwand dar und erfordert einen übermäßigen Einsatz von Ressourcen wie Kupfer und entsprechendem synthetischen Isolationsmaterial. Der Kunde wurde mittels eines direkten Vergleiches mit einer dezentralen USV-Lösung, im Rahmen einer Entscheidungsvorlage, über die technischen Herausforderungen und wirtschaftlichen Konsequenzen aufgeklärt. Eine dezentrale USV-Lösung verringert die Investitionskosten, erfordert einen geringeren Einsatz von Ressourcen und bietet eine höhere Ausfallsicherheit auch im Wartungsfall. Wirtschaftlich und ökologisch ist es sinnvoller, dezentrale USV-Anlagen umzusetzen. Abschließend bleibt festzustellen, dass es für USV-Anlagen < 200 kVA mit geringen Kurzschlussstromvermögen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, eine zentrale, räumlich entfernte und verteilende Anlage zu errichten. Aber es besteht die Möglichkeit, mit geänderter Betrachtungsweise in der Auslegung, dem Kundenwunsch zu entsprechen und eine normgerechte Anlage zu dimensionieren und zu planen.

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