Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 13

Die VOB/C enthält verbindliche Abrechnungsvorschriften

Heute machen wir einen Ausflug ins Abrechnungsgestrüpp. Die VOB/C, auch bekannt als DIN 18299 ff., enthalten in strukturell gleichem Aufbau für verschiedene Gewerke Abrechnungsvorschriften, z.B. zum Aufmaß (Stichwort „Übermessen von Bauteilöffnungen“) oder zur Abgrenzung von Zusatzleistungen und Inklusivleistungen („Besondere Leistungen“ bzw. „Nebenleistungen“).

Es kommt vor, dass Mandanten mit einem Blatt Papier kommen, nämlich dem Auszug aus der VOB/C, in dem etwa steht, dass Gerüste über 4 m Höhe sogenannte „Besondere Leistungen“ darstellen. Damit ist für sie der Fall gelöst: Für das Gerüst bekommen sie extra Geld. Aber stimmt das? 


Die VOB/C ist kein Gesetz

Es wäre ein Fehlschluss, die VOB/C für ein Gesetz zu halten, durch das der Gesetzgeber verbindlich geregelt hätte, was bei der Abrechnung gelten soll. Nein, genau wie die thematisch zugehörige VOB/B handelt es sich um eine Art Mustervertrag – auf Juristendeutsch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Daraus leitet sich schon Regel 1 ab: Nur wenn die Geltung der VOB/C im Vertrag vereinbart ist, kann man darauf zurückgreifen. Diese Einbeziehung in den Vertrag kann entweder ausdrücklich erfolgen oder – viel häufiger – im Paket mit der VOB/B. In § 1 Abs. 1 steht dort nämlich, dass für VOB/B-Verträge auch die VOB/C gilt. Haben wir aber einen BGB-Bauvertrag ohne speziellen Verweis auf die VOB/C, dann gelten deren Regeln erst einmal nicht.


Ist die VOB/C nicht als DIN-Norm anzuwenden? Oder: Ist sie nicht eine Art Handelsbrauch?

DIN-Normen sind technische Regelwerke, in denen die Allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Ausdruck kommen können. Enthalten DIN-Normen Regelungen, die letztlich vertragsrechtliche Vorgaben oder Abmachungen enthalten, können diese keine Verbindlichkeit in diesem Sinn beanspruchen. – Eine bestimmte Abrechnungsregel kann aber tatsächlich, wie der BGH klargestellt hat, in bestimmten Fachkreisen „wie ein Gesetz“ behandelt werden. Dann hilft diese Üblichkeit beim Verständnis des Leistungsverzeichnisses weiter. Veröffentlichte Einzelfälle, in denen das festgestellt wurde, sind rar.


Wie bekomme ich dann heraus, ob die Leistung zusätzlich zu bezahlen ist?

Durch Auslegung des gesamten Vertrages (Leistungsverzeichnis, Vorbemerkungen, Bedingungen, Verhandlungsprotokolle). Es gibt zwei Varianten. Entweder der Vertrag sagt etwas zu der Abrechnungsfrage: Dann geht selbst jede schnöde Vorbemerkung im LV („alle Gerüste sind einzukalkulieren“) der VOB/C vor, denn sie ist konkreter für das Projekt und damit vorrangig. Oder der Vertrag sagt schlicht nichts. Dann kann man die VOB/C, wenn sie einbezogen ist, als ergänzende vereinbarte Regel heranziehen. 

Schwierige Restfragen bleiben leider nicht aus. Der Auftragnehmer hat dann noch einen kleinen Trumpf im Ärmel: Wenn unklar bleibt, ob die Vergütung in den ausgeschriebenen Positionen enthalten ist, gehen Unklarheiten in den Formularen zu Lasten des Verwenders, meist des Auftraggebers.


Fazit 

Der Mandant kommt mit einem Blatt Papier, und ich verlange die zwei Ordner mit der kompletten Ausschreibung. Denn: Nur, wer den Vertrag im Ganzen versteht, kann diese, zuweilen kniffligen, Vergütungsfragen lösen. Und manchmal gibt es Fälle, in denen die Lösung tatsächlich aus der VOB/C kommt.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 21 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechts­gebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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