TWK-Symposium über ‚Moderne Gebäude-Energiekonzepte‘

Im Konzert mit Fritz Nüßle

Am 6. April 2017 veranstaltete das Test- und Weiterbildungszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik (TWK) in Karlsruhe ein außergewöhnliches Ehren-Symposium. Dabei spannte der Bogen für die Gebäudetechnik weit: angefangen in den 1980ern bis hin zu Zukunftskonzepten für einen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende.

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Und als Fritz Nüßle im Verlaufe eines interessanten Tages den folgenden Vergleich anführte, war die Zusammenfassung des Symposiums eigentlich schon vorweggenommen: „In modernen Gebäuden wandert für die Technik die Intelligenz immer mehr in die Produkte hinein. Und mehr denn je braucht es jemanden, der die Zusammenarbeit dokumentiert, sie regelrecht aufschreibt. Er muss die Noten vorgeben, um im Konzert der Gewerke letztendlich für Harmonie zu sorgen. So wie bei einem Orchester!“ Nun ist Fritz Nüßle kein Komponist – zumindest nicht im klassischen Sinne. Wer aber genau hinschaut, erkennt in seinem Wirken viele Parallelen, bis hin zu einer buchstäblichen „TGA-Symphonie“, die er schrieb und die vergangenes Jahr mit ihrer Einweihung eine Gala feierte.

Kurzer Szenenwechsel

Die Rede ist vom Neubau des TWK in Stutensee, einem funktionalen Labor-, Test- und Schulungsgebäude, welches seine Geheimnisse nicht nach außen kehrt, sondern wie ein Schatzkästchen in seinem Inneren birgt. Dessen Orchestrierung geschah in äußerst umfassender Art und Weise durch Anregungen, Erfahrungen und allem voran durch das Tun und Handeln von Fritz Nüßle.

Umfassend dargestellt wurde das TWK-Energiekonzept bereits in einem Artikel (tab 11/2016). Darum soll darauf an dieser Stelle verzichtet und es sollen lediglich die Kernbausteine des Gewerbebaus genannt werden, der einem TGA-Labor gleicht:

- Ein zentraler Latentenergiespeicher (100 m3) für die Einspeisung der Labor-Abwärme und als Wärmequelle für die Wärmepumpen,
- eine vorausahnende Raumtemperatursteuerung auf Basis regionaler Wetterdaten,
- ein Wärme-Kälte-Verbund und thermisch aktive Bau­teil­sys­teme zur Wärmeübergabe auf Niedrigst-Temperaturniveau mit vier Luft-/Wasser-Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen (Alpha-InnoTec, Mitsubishi Electric, Stiebel Eltron und Viessmann), drei Sole-/Wasser-Wärmepumpen (Buderus, IDM und Wolf) sowie eine Warmwasser-Wärmepumpe (AEG) und ein Lüftungsgerät (robatherm) mit integrierter Wärmerückgewinnung,
- Heiz- und Kühlsegel in den Vortragsräumen,
- Wasserkühlsatz (Combitherm) als Reserve bei hoher Wärmeabgabe durch die Prüfstände,
- thermische Bauteilaktivierung sowie
- Industrieflächenheizung.

In dieser Besetzung war schluss­end­lich ein Ensemble zusammengestellt, dessen Energiekonzept in seiner Vielseitigkeit in den kommenden Jahren hoffentlich nicht nur im Gewerbebau eine breite Anwendung finden wird. Und eigentlich nur eine Instrumentengruppe bleibt bislang unbesetzt: die Photovoltaik.

Die Praxis aber sieht meist noch anders aus. Und das folgende Zitat des zuvor genannten Fachbeitrags beschreibt treffend, wie heute geplant und gebaut wird: „Gewerbebauten, in diese Gattung fällt der Neubau des TWK, werden meist von einem Generalunternehmen schlüsselfertig erstellt. Vom Bauherren eingebrachte Innovationswünsche sind dabei eher unerwünscht und werden oft durch ‚saftige‘ Preisaufschläge erschwert. Typisch für Gewerbebauten sind bewährte und robuste ‚HLK-Schubladenlösungen‘, die gerade die Grundanforderungen der EnEV erfüllen.“ Traurig, aber wohl wahr. Es geht auch anders.


Ein schwieriger und innovativer Bauherr

Wer die Historie des TWK kennt, wird schnell über einen zweiten Namen stolpern: Prof. Dr.-Ing. Johannes Reichelt. Es ist sein Lebenswerk, dass die durch Prof. Dr.-Ing. Valerius Füner im Jahre 1952 begründete Historie kältetechnischer Fortbildungskurse in Karlsruhe fortsetzte, um Wärmepumpenprüfungen in den boomenden 1980ern ergänzte und neben der stationären dann auch mit Laboruntersuchungen für die mobile Pkw-Klimatisierung weiter abrundete. Nicht zu vergessen natürlich die unzähligen Fort- und Weiterbildungsangebote. Der Neubau des TWK in Stutensee bei Karlsruhe schließt ab, was Professor Reichelt sich lange erträumt, aber kaum zu hoffen wagte. Denn Standortsuche, Finanzierung, Mitarbeiterverantwortung, schwankende Prüf- und Kursauslastungen aufgrund der gegebenen Marktvolatilitäten und weitere Hürden machten aus dem Gesamtkunstwerk TWK ein über Jahre dauernder, oft mühevoller Prozess, der auch mehrfach zu Scheitern drohte. Bewundernswert dabei das Durchhaltevermögen und auch der Mut der meisten Beteiligten. Denn die Grundidee kam nie ins Wanken: Das neue TWK sollte ein ‚Opernhaus für die Wärmepumpe‘ werden. Als schlussendlich Fritz Nüßle hinzukam, des Bauherrn nicht immer einfache, aber trotzdem innovative Ideen, Änderungswünsche und Vorgaben aufgriff, mit eigenen Vorschlägen vermengte und schließlich die Partitur dazu schrieb, war es 2016 geschafft. Ein nachhaltiges Gebäude, das in seinem Betrieb, seiner Funktionalität, seinem Klang und seiner Harmonie seinesgleichen sucht und Vorbildcharakter auch für andere ‚Opernhäuser des Gewerbebaus‘ haben sollte.

Ein Dank dem Komponisten

Als Dank an seinen Komponisten veranstaltete das TWK nun unter der Federführung des ‚Dirigenten‘ Prof. Reichelt sowie der beiden Geschäftsführer Rainer Burger und Michael Stalter das Symposium ‚Moderne Gebäude-Energiekonzepte‘ im Akademiehotel Karlsruhe. Es hätte wahrlich mehr Zuhörer verdient gehabt. Denn der Themenmix zahlreicher Wegbegleiter von Fritz Nüßle war durchdacht und prominent besetzt. Unter den rund 60 Zuhörern waren aber zahlreiche Ehrengäste und Pressevertreter, so dass Spenden der Firmen Uponor GmbH, Haßfurt, und des InformtionsZentrum Beton GmbH, Erkrath, sicher dankbare Co-Sponsoren waren. 

Nachdem die Gruppe am Vortag bereits einer TWK-Besichtigung und einem schönen ‚Festkolloquium zu Ehren von Fritz Nüßle‘ beiwohnte, spann sich das Symposium am 6. April um weitere Themen seines Wirkens. Zentraler Bestandteil dabei: Die thermische Bauteilaktivierung für gewerbliche Gebäude, „welche bedauerlicherweise im Wohnungsbau bis heute keinen Fuß fassen konnte“, so Fritz Nüßle rückblickend. Kühlen oder heizen über Flächen­sys­teme kam mittels Kühldecken überhaupt erst Ende der 1980er Jahren auf, nachdem die Luft als Trägermedium im Gebäude und die damit verbundenen großen RLT-Anlagen oder Fassadentechniken zusehends mit Problemen und Vorbehalten zu kämpfen hatten. Darüber sprach Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff von der Hochschule Biberach in seinem Rückblick. Hinzu kam die wachsende Diskussion zum Energieverbrauch von Gebäuden. Massive Speichermedien, die in vielen Gewerbebauten vorhanden oder aus Brandschutz- bzw. Akustikgründen gar gefordert sind, boten ab Mitte der 1990er und bieten auch heute noch einen Weg, den Anteil der mechanisch erzeugten Wärme und Kälte möglichst gering zu halten. Diesen Weg erkannte und begeht Fritz Nüßle bis heute konsequent.  

Netzdienliche Gebäude

Die Kombination aus vorhandener Umwelt- oder Abwärme, Latent-Energiespeichern, Bauteilaktivierung, intelligenter MSR-Technik und Wärmepumpen – ergänzt durch PV-Systeme – sind der konsequente Weg, um im Gebäudesektor entscheidend zur Energiewende mit beitragen zu können. Und inzwischen spielt im Gewerbebau nicht mehr der stetig sinkende Wärmebedarf, vielmehr die Kühlenergie eine führende Rolle. Ein Wärme-Kälte-Verbund inklusive Speichern – extern genauso wie bauteilintegriert – mit WRG und Wärme­über­tra­gungs­sys­te­men muss also bereits bei der Nutzungsplanung bedacht werden. Dabei ging Johannes Hopf vom Stuttgarter Planungsbüro Drees & Sommer so weit, Gebäude zukünftig als autarke Energieerzeuger und Energiespeicher zu sehen. Bedenkt man diesen Ansatz einen Moment, wird seine Tragweite für eine erfolgreiche Energiewende erst klar. Wesentliche Bausteine dafür: Latent-Energiespeicher und Wärmepumpen. Denn diese Kombination macht es erst möglich, PV-Strom nicht mehr einspeisen zu müssen, sondern direkt für das Gebäude zu verwenden oder Überschüsse in Form von Wärme- oder Kühlenergie dezentral einzulagern. Prof. Dr. Norbert Fisch, Direktor des IGS an der TU Braunschweig, sprach sogar vom Gebäude als ‚Kraftwerk und Tankstelle‘. Seine auch selbstkritischen Anmerkungen waren herzerfrischend. „Früher waren wir solarthermielastig und haben die Sonne eingepackt. Heute aber spielt beim Energieverbrauch von Bürogebäuden der Strom, nicht mehr die Wärme, eine tragende Rolle. Das haben wir aber überhaupt nicht auf dem Schirm!“ Seine Hauptbotschaft befasste sich mit der digitalen Funktionsbeschreibung, die bereits in der Planungsphase verankert sein muss. Und es ist wieder wie beim Schreiben einer Partitur für ein Gebäude.
Nur dass die Noten nicht mehr analog notiert, sondern digitalisiert werden müssen. Von Anfang bis Ende im gesamten Planungsprozess – bis hin zur Verwendung für die Gebäudeautomation und das spätere Monitoring des Gebäudes zur Qualitätssicherung. Denn „gute Konzepte machen am Ende noch lange kein gutes Gebäude“, so Prof. Fisch. „Die Qualität entscheidet sich auf dem Bau und ihrer anschließenden Überprüfbarkeit.“  

Thermisch aktiv

Es war noch einiges an diesem Tag rund um das Thema thermisch aktiver Bauteilsysteme (TABS) zu erfahren. Dass beispielsweise ihre Betriebsführung aufgrund der Systemträgheit kein einfaches Unterfangen ist, um effizient zu sein, aber gleichzeitig nicht die Behaglichkeit aus dem Auge zu verlieren. Wie es erfolgreich umgesetzt werden kann, erklärte Prof. Dr.-Ing. Jens Pfafferott am Beispiel seiner Hochschule in Offenburg. Danach wartete Prof. Dr. Doreen Kalz von der Beuth Hochschule für Technik Berlin mit Erfahrungen von 21 untersuchten Nichtwohngebäuden auf. Deren Monitoring über bis zu fünf Jahre deckte Stärken und Schwächen auf. Eine wesentliche Feststellung dabei: Sekundärverbraucher machen oft eine gute Planung zunichte. Wenn nämlich die Hydraulik schlecht eingebunden oder dimensioniert wurde, hat das negative Auswirkungen bis hin zur Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe. Vor allem jungen Ingenieuren fehlt es oft an Planungserfahrung und Fachwissen. Prof. Werner Schenk vom gleichnamigen Rosenheimer Ingenieurbüro stellte fest, dass Wärmepumpen in der Gebäudetechnik zukünftig eine Führungsrolle übernehmen können – wenn im Vorfeld alles richtig gemacht wird. Dafür stellte er einen Zehn-Punkte-Check vor, bei dem allem voran die akribische Prüfung und Entscheidung für die richtige Wärmequelle wesentliche Rollen spielen. Kontroverse Diskussionen gab es, als die Frage auf die Umgebungswärme kam. Denn während Prof. Schenk der Luft kein gutes Zeugnis ausstellte, erinnerte Prof. Fisch daran, dass vor allem im Gebäudebestand oft gar keine andere Möglichkeit besteht, als diese Wärmequelle anzuzapfen. „Wir müssen Luftsysteme zumindest mitnehmen, ob wir wollen, oder nicht“, so sein Fazit.

Fast etwas exotisch erschien der Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Külpmann. Es ging dabei zwar um gute Raumluftqualität, für die allerdings ein System namens „Leitfähige Luft“ sorgt. Dessen Wirksamkeit hat die Praxis in der Schweiz bereits bestätigt. An seiner Hochschule in Luzern wird die Funktion nun gerade wissenschaftlich untersucht. Das Besondere daran: Die ionisierte Luft lässt Gerüche verschwinden, ohne dass es dabei zu einer Ozonbildung kommt. Ob und wie es sich in der Gebäudetechnik einsetzen lässt, davon wird sicher noch zu hören sein.

Auch das Unternehmen Zent-Frenger bekam die Gelegenheit für fachlichen Input. Yannick Friess stellte in einer Übersicht die Welt der Latentwärmespeicher vor. Er weiß, wovon er spricht, wurde doch seine Master-Arbeit über das Speicherkonzept des TWK in einem neutralen Auswahlverfahren auf dem Uponor-Kongress 2016 mit dem Blue-U-Award ausgezeichnet. Und Frank Kaiser berichtete von Erfahrungen mit inzwischen über 100 „Geozent“-Energiezentralen im Feld. Dieses offene System ist eine Energiezentrale und hat einen hohen Vorfertigungsgrad, ist praktisch um eine Großwärmepumpe herum entwickelt worden. Das Ziel: Möglichst viel Planungsleistung vorwegzunehmen, Schnittstellenfehler zu minimieren und ein optimales Monitoring nebst Fernwartung zu ermöglichen. Denn wie sagte Fritz Nüßle: „Die Intelligenz wandert immer mehr in die Produkte hinein. Trotzdem muss jemand die Noten aufschreiben, für Harmonie sorgen.“ 

Einfach machen!

Ein Resümee, das bei vielen Vorträgen mitschwang – bis hin zu der Erkenntnis, auch wieder ‚einfach‘ zu denken. Denn wie gesagt: Das tollste Gebäude, die schönste Fassade, die intelligenteste Steuerungstechnik und modernste TGA sind nutzlos, wenn die Übergänge der Gewerke nicht klappen, keiner mehr Zusammenhänge versteht, oder theoretisches Planungswissen in der Praxis nicht nachprüfbar ist.

Denn ein funktionierendes Gebäude gleicht am Ende tatsächlich einem Orchester, das für sein Publikum eine wunderbare Symphonie spielt. Deren Partitur wurde von einem visionären Komponisten harmonisch er­dacht und aufgeschrieben, ehe sie schlussendlich in einem dafür gemachten Festspiel- oder Opernhaus von einem Dirigenten geleitet den Zuhörern dargeboten werden kann. In den meisten Fällen mit einem meisterhaften und unvergesslichen Ergebnis.

 

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