Hat die Zeitarbeit noch eine Zukunft?

Die Unternehmen in Deutschland sind zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf die Nutzung flexibler Beschäftigungsformen, wie z. B. der Zeitarbeit, ange­wiesen. Zugleich bietet die Arbeitnehmer-Überlassung für die Leiharbeitnehmer die Chance, über den Entleih einen langfris­tigen Arbeitsplatz zu finden.

Während durch das 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 verschiedene Erleichterungen im Bereich der Zeitarbeit, z. B. durch die Aufhebung der Höchstüberlassungsdauer von 24 Monaten, umgesetzt worden sind, ist in der letzten Zeit die Tendenz er­kennbar, die Nutzung der Zeit­arbeit zu erschweren und die Attraktivität der Arbeitnehmer-Über­lassung für die Entleiher einzuschränken.

Die Rechtsstellung der Leiharbeitnehmer wird teilweise der rechtlichen Stellung der Arbeitnehmer in den jeweiligen Entleihbetrieben angenähert. So besitzen Leiharbeitnehmer z. B. einen Zugang zu den Ge­mein­schaftseinrichtungen und Diensten (u.a. Kantinen, Be­triebs­kindergärten) des Entleihers. Gemäß § 13 AÜG besitzen Leiharbeitnehmer ferner gegen­über dem Entleiher unter be­stimm­ten Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Ar­beit­nehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen.

In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei den Leiharbeitnehmern jedoch nicht um Arbeitnehmer des Entleihers.

Mit einem Urteil vom 24. Januar 2013, Az.: 2 AZR 140/12, hat das BAG nunmehr jedoch entschieden, dass Leiharbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei der Berechnung der Betriebsgröße des Entleihbetriebes hinsichtlich der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu berücksichtigen sind. Das Kündigungsschutzgesetz gilt für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Ein gekündigter Arbeitnehmer hat mit seiner Kündigungsschutzklage in diesem Zusammenhang geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von seinem Arbeitgeber eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Während das Arbeitsgericht und das LAG die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen haben, hatte die Revision des Klägers vor dem BAG Erfolg.

Nach Auffassung des BAG stehe der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Bei der Berechnung der Betriebsgröße seien auch im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruhe.

Arbeitgeber, welche bisher unter die „Kleinbetriebsklausel“ des KSchG fallen, können sich zukünftig nicht mehr darauf verlassen, dass die bei Ihnen tätigen Arbeitnehmer keinen allgemeinen Kündigungsschutz besitzen, wenn Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, deren Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personal­bedarf beruht.

Inhaber von Kleinbetrieben werden zukünftig voraussichtlich von dem Einsatz von Leiharbeitnehmern nur noch zurückhaltend Gebrauch machen. Mit einer derartigen Einschränkung der Zeitarbeit ist jedoch weder der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen noch den Leiharbeitnehmern geholfen, welche über einen Entleih ggf. einen langfristigen Arbeitsplatz finden könnten.

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