Das aktuelle Baurechtsurteil: Mängelbeseitigung

Merkantiler Minderwert trotz Mangelbeseitigung?

Arbeitet ein Auftragnehmer mangelhaft, stehen dem Auftraggeber die Mängelrechte des BGB bzw. bei einem VOB-Vertrag nach der VOB/B zu. Unter bestimmten Voraussetzun­gen hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber auch den technischen Minderwert zu ersetzen, der etwa nach erfolgter Mangelbeseitigung verbleibt. Zunehmend diskutiert wird der so genannte merkantile Minderwert, der unter bestimmten Voraussetzungen dem Auftraggeber selbst dann zu ersetzen ist, wenn ein Mangel ordnungsgemäß nachgebessert wurde. In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof mit dem merkantilen Minderwert befasst. Es ging um Putzrisse. Die Problematik zum merkantilen Minderwert ist allerdings über das Gewerk „Putz“ hinaus für die gesamte Bau­praxis und für alle Gewerke relevant.

In der jüngeren Rechtsprechung gibt es die deutliche Tendenz, einem Besteller auch nach erfolgter Mängelbeseiti­gung Schadensersatz unter dem Aspekt des so genannten merkantilen Minderwerts zu gewähren. Von dem merkanti­len Minderwert ist die Rede, wenn trotz objektiv vollständiger Mangelbeseitigung ein Gebäude einen niedrigeren Verkaufspreis erzielt als ein völlig gleiches, nicht mangelbehaftetes Gebäude. So kann es in der Praxis durch­­aus vorkommen, dass sich ein potentieller Käufer gegen den Erwerb der betroffenen Immo­bilie entscheidet, wenn er meint, der Mangel könne trotz der Mangelbeseitigungsarbeiten späterhin nochmals auftreten; möglicherweise ist ein Käufer auch nur bereit, einen geringeren Kaufpreis zu zahlen, wenn er unsicher ist, ob die Mängel­beseitigung geklappt hat. Zu differenzieren ist im Rechtlichen zwischen dem so genann­ten technischen Minderwert einerseits und dem merkantilen Minderwert andererseits. Ein technischer Minderwert ist dann gegeben, wenn die ordnungsgemäße Reparatur nicht den gleichen technischen Zustand wiederhergestellt hat – etwa in Bezug auf die Gebrauchsfähigkeit des Gewerks, wenn also der Erfolg der Nachbesserung hinter dem vertraglich geschuldeten Werkerfolg zurück bleibt.

Demgegenüber ist der merkantile Minderwert ein Vermögensnachteil, der bei beschädigten, aber auch bei mangelhaften Sachen eintritt, und zwar selbst dann, wenn technisch einwandfrei nachgebessert wird. In der Recht­sprechung entschieden wurde etwa der Fall einer fehlerhaf­ten Abdichtung eines Mehrfamilienhauses, infolge derer es zu Nässeschäden im Keller kam. Der Auftragnehmer hatte diesen Mangel beseitigt. Gleichwohl wurde dem Auftraggeber ein so genannter merkantiler Minderwert zugesprochen, weil ein bloßer Verdacht bestand, dass das Bauwerk weitere verborgene Mängel aufweisen könnte, und zwar selbst dann, wenn sich der Verdacht als objektiv unbegründet herausgestellt hätte (OLG Hamm,Urteil 10. Mai. 2010, 17 U 92/09). Ähnlich urteilte das OLG Stuttgart im Falle von Undichtigkeiten im Dach eines Gebäudes (Urteil 8. Februar 2011, 12 U 44/10).

Zum Fall des BGH

Der Bundesgerichtshof hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen mangelhafter Planungsleistungen der beklagten Architekten/Ingenieure. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens – es handelte sich um zwei bau­gleiche Mehrfamilienhäuser – traten vielfältige Risse im Innen- und Außenputz auf. Trotz vollständiger Beseitigung dieser Män­gel verlangte die Klägerin von den Beklagten Ersatz ihres verbliebenen merkantilen Minderwerts in Höhe von 150 000 €. Das Berufungsgericht hatte die Klage auf Zahlung eines merkantilen Minderwerts noch abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung dieser 150 000 € weiter.

Zur Entscheidung des BGH

Zu Unrecht habe das Berufungsgericht keinen Schaden der Klägerin wegen eines merkantilen Minderwerts der Gebäude feststellen können; ein merkantiler Minderwert liege – so der BGH – dann vor, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass es sich bei den Gebäuden um marktgängige Objekte handelte, so dass deren Verwertbarkeit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen grundsätzlich festgestellt werden könne; es sei auch davon auszugehen, dass ein redlicher Verkäufer einen Kaufinteressenten über die ausgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten informiere. Dabei könne ein Gericht die Höhe des merkantilen Minderwerts schätzen; dabei könne man durchaus in Kauf nehmen, dass das gefundene Ergebnis u.U. mit der Wirklichkeit nicht überein stimme. Allenfalls dann, wenn es überhaupt keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Schätzungsgrundlage gebe, müsse dies unterbleiben. Eine solche Schätzungsgrundlage lag nach Einschätzung des BGH in diesem Fall vor; es habe durchaus Anhaltspunkte durch Befragung von Fachleuten gegeben, in welcher Höhe bei einem Verkauf mindestens eine Einbuße beim Erlös eintreten würde. Darauf hätte man zurückgreifen dürfen.

Praxishinweis

In der Baupraxis werden sich Bauunternehmen und beteiligte Ingenieure und Architekten zunehmend mit dem sogenannten merkantilen Minderwert konfrontiert sehen. Trotz völlig und ordnungsgemäßer Instandsetzung und Nachbesserung kann ein solcher Minderwert deshalb verbleiben, weil bei einem etwaigen Käufer vor allem wegen Verdachts verborgen gebliebener Schäden oder wegen des Verdachts einer unzulänglichen Nachbesserung eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen einen Erwerb bestehen kann.

Dies hat der BGH schon früher einmal für eine Heizungsanlage entschieden (BGH, Urteil 11. Juli 1991, VII ZR 301/90). Diese Entwicklung sollte man in jedem Fall im Blick haben; denn ein Bauvorhaben ohne jegliche Mängel ist Illusion. Gewerke werden handwerklich unter Baustellenbedingungen ausgeführt. Fehler lassen sich nicht stets vermeiden.

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