Nachruf auf ein politisches Schmierentheater – Reformkommission

Baulobbyisten als Laienschauspieler missbraucht

Im Vorwort des 112-seitigen Abschlussberichts einer von der Regierung eingesetzten 36-köpfigen Kommission aus Vertretern der Bauwirtschaft, die von April 2013 bis Juni 2015 arbeitete, schreibt Bundes­minis­ter Alexander Dobrindt:

„... In den vergangenen Jahren haben Konflikte bei Großprojekten den Blick der Öffentlichkeit auf diese Erfolge der Bauindustrie, Bauwirtschaft und planenden Berufe verstellt. Dadurch hat die öffentliche Akzeptanz von Großprojekten gelitten. Vor diesem Hintergrund haben wir 2013 als runden Tisch von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine Reformkommission Bau von Großprojekten ins Leben gerufen – mit einem klaren Ziel: gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wie bei Großprojekten in Zukunft mehr Kostenwahrheit und Termintreue erreicht werden können. Der vorliegende Endbericht der Reformkommission mit seinem 10-Punkte-Aktionsplan leistet genau das und nimmt in einem ganzheitlichen Ansatz den gesamten Bauprozess in den Blick – von der ersten Projektidee über Planung, Vergabe und Bau bis zur Nutzungsphase, von der Planungs- und Bauwirtschaft bis zu den Bauherren.“

Die Worte des Ministers Do­brindt decken sich leider nicht mit der Webseite der Reformkommission seines Ministeriums. Er hat sich erlaubt, nach seinem Amtsantritt die Kommission in seine Richtung umzudefinieren, ohne die Webseite anzupassen (www.Bauweh.info). Die klaren, harten Aussagen und Zielvorgaben seines Vorgängers sind dank Google nicht „verschwindbar“.

Anders als im Vorwort dargestellt, war das primäre Ziel der Kommission, mehr Kos­ten­ehr­lich­keit und Transparenz. Dazu sollte ein Handbuch erarbeitet werden, kein Empfehlungskatalog. Es war bei der Zieldefinition im April 2013 auch kein weiteres „Kurzkompendium im Bauprojektmanagement für Dummys“ gefragt. Nach dem Motto: „Bevor man baut, muss man wissen, was man will, und ob genug Geld da ist“ – so liest sich der 112-seitige Bericht leider über weite Strecken.

Vieles aus dem Inhalt des Kommissionsberichts fand sich schon im Sommer 2013 auf der BMVI-Webseite der Reformkommission. Dort wo heute auf der Webseite „Ergebnisse der Kommissionarbeit“ steht (Bild 1), stand damals „Wesentliche Inhalte der Kommissionsarbeit“ (Bild 2). So einfach ist das.

Bei öffentlichen Auftritten und in Presseinformationen von Herrn Ramsauer, der damals als zuständiger Minister die Reformkommission ins Leben gerufen hatte, gab es eine klare Aussage: „Ziel ist ein, wir haben es Handbuch für Großprojekte genannt, das aufzeigt, was man unternehmen muss und wie man so ein Projekt anpacken muss, damit es zeit- und kostengerecht gebaut werden kann.“ (17. April 2013, Videomitschnitt von N-TV, der auf der www.BauWeh.info-Seite des BMVI verlinkt ist).

Die Publikumspresse, wie „Die Welt“, hat die Aussagen des Ministers so auf den Punkt gebracht (Kasten 1).

Das Thema Ehrlichkeit findet sich im Kommissionsbericht nicht richtig wieder. Und wenn, ist es eines von vielen Punkten davon, was man beim Bauen in Deutschland alles besser machen könnte. Im Kommissionsbericht steht auch etwas über das Thema „Vergabe an den Billigsten“. Diese Praxis ist keine bewusste Entscheidung der öffentlichen Bauleute, sondern ein politisch gewollter Effekt, um die Unehrlichkeit bei Baubudget und Bausoll so lange wie möglich kaschieren zu können. „Ehrlichkeit“ ist ein sehr rares Wort in dem Abschlussbericht – es kommt gar nicht erst vor. Dafür ist ein neues Schlüsselwort des öffentlichen Bauens oft zu lesen: „partnerschaftlich“ und das ganze 75-mal. Angesichts der Anzahl von Insolvenzen, die öffentliche Baumaßnahmen verursachen, klingt das Wort „partnerschaftlich“ wie purer Hohn. Wenn schon partnerschaftlich, dann so, dass auch die Bauherrenseite bei ausufernden Projekten Schaden nimmt. Das ist aber rechtlich gar nicht möglich (www.BauPolitik.de). Den öffentlichen Bauherren kann nichts passieren, solange sie nicht Geldkuverts annehmen. Das ist heute aber nicht mehr üblich. Pöstchen zuschieben, das sind die Geldkoffer des 21. Jahrhunderts. Beim Thema Vergabepraxis verspricht Herr Dobrindt in der Presse und im Abschlussbericht etwas Wundervolles:

„Wir brauchen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Bauherren, Planern und ausführenden Unternehmen. Dazu wollen wir auch die Vergabepraxis ändern. Bauprojekte sollen künftig an den qualitativ Besten vergeben werden – und nicht an den vermeintlich Billigsten.“

Mit der Idee des qualitativ besten Bieters überspringt Herr Dobrindt einfach die bisherige rechtliche Vorgabe der Vergabe an den wirtschaftlichsten Bieter. Zu diesem Stil passt auch der Name der GmbH, die von Herrn Dorbrindt und der Reformkommission als Ergebnis der Kommissionsarbeit gegründet wurde. Das neue Unternehmen zur Förderung von BIM (Building Information Modeling) heißt „Planen+Bauen V 4.0“. Die Versionen 2.0 und 3.0 werden einfach ausgelassen. Dazu bräuchte es Ehrlichkeit und Transparenz. Mit dem Hoffnungsträger BIM kann der Minister vor seiner „digitalaffinen“ Chefin brillieren und gewinnt mindestens drei bis vier Jahre Zeit, bis klar ist, dass ohne Ehrlichkeit am Bau BIM zu Klim„BIM“ wird.

Kein Bau-, sondern ein Bauherrenproblem

Wie gezeigt, hat die Reformkommission die gesetzten Ziele nicht erreicht: kein Handbuch, keine Ehrlichkeit und keine Transparenz. Das ging auch gar nicht, denn von 36 Mitgliedern waren 34 aus Wirtschaft & Wissenschaft. Die öffentliche Bauverwaltung und die Politik stellten den Dirigenten der ganzen Veranstaltung und einen Beobachter. Mir tut das für die Kommissionsmitglieder sehr leid. Ich schätze deren Sachverstand und Mühe hoch ein. Jeder hatte Hoffnung, dass die Reformarbeit Fortschritte bringt. Die Politik war 2013 anfänglich in punkto Änderungstemperament und Ehrlichkeit sehr vielversprechend unterwegs (Bild 3).

Deutschland habe „einen Ruf in der Welt zu verlieren“, so Herr Ramsauer, als damaliger Bauminister. Einer der Gründe für die Verteuerung von Großbauten sei, dass „man vor der Investi­tionsentscheidung vielleicht mal gerne die Augen verschließt“, vor den realen Kosten, sagte der CSU-Politiker weiter. Er fühlte sich in seinem Eintreten für mehr Ehrlichkeit beim Bauen in Deutschland wohl durch die Kanzlerin bestärkt (Kasten 2).

Auf einer CDU-Regionalkonferenz 2010 in Heilbronn war von Frau Merkel Folgendes zu hören: 

„Es wäre auch nicht schlecht, wenn bei Großprojekten die Kostenschätzungen mal einigermaßen stimmen würden. Sagt am Anfang den richtigen Preis, damit keine Enttäuschung entsteht.“ 

Mit diesen Worten mahnte die Bundeskanzlerin mehr Transparenz und Ehrlichkeit bei Großbauprojekten – wie etwa beim Bahnprojekt Stuttgart 21 – an.

Durch die Ansagen der beiden Top-Politiker wird klar, dass die Reformkommission eine krasse Fehlbesetzung erfuhr. Die Ziele waren jedoch gut und wichtig. Statt aus Bauleuten hätte die Reformkommission aus hohen Beamten der Bauverwaltung und Politikern aller Parteien bestehen müssen. Diese sind das Problem beim Bauen in Deutschland, nicht die Bauleute! Bauleute in Deutschland können die anspruchsvollsten und komplexesten Gebäude der Welt, in einem gewissen Toleranzrahmen Kosten und Termine betreffend, bauen, wenn der Bauherr vernünftig und realistisch ist. Große Shoppingcenter in Mrd.-€-Dimensionen wurden und werden – trotz vieler Änderungen – auf den Monat genau eröffnet. Wir haben beim öffentlichen Bauen in Deutschland ein Bauherrenproblem. Dies muss zuerst bewältigt werden.

Die Insolvenz von Imtech kann hierbei ein neuer Motivationsschub sein. Dieses Unternehmen war der bevorzugte, gleichwertige Partner für unehrliche, unseriöse Bauherren. Deshalb ist Imtech an fast jedem größeren öffentlichen Großbauprojekt beteiligt.

Nachdem der Unfug mit dem öffentlichen Bauwesen reihenweise große Planungsunternehmen ruiniert und große, klassische Baufirmen in die Arme von Ausländern getrieben hat, trifft es nun das größte TGA-Unternehmen Deutschlands. Dabei hatte der oberste Baumeister Deutschlands, Lothar Fehn Krestas, bei einer dreistündigen Veranstaltung im Bundestag zu Großbauprojekten schon im Mai 2015 geklagt (www.BauPolitik.de), man fände nicht mehr genug qualifizierte Bieter für einen Wettbewerb. Die staatliche Ordnung des Bauens in Deutschland hat eine gravierende Misswirtschaft erzeugt. Die regierenden Politiker haben sich ihr, seit jeher existierendes, Privileg bis heute erhalten, Bauprojekte ohne verbindliches Bausoll und realistisches Budget zu starten. In Zeitalter von 30 bis 60 % TGA-Anteil an der Bausumme ist dieses nicht mehr haltbar. Es schädigt die Anbieter und kostet den Steuerzahler Unsummen.

Mit der großen Reformkommission haben die regierenden Politiker Zeit gewonnen. Sie mussten nichts tun und haben ein geschicktes politisches Schmierentheater veranstaltet. Den schwarzen Peter für die Probleme hat man elegant den Bauleuten zugeschoben. Der verantwortliche Politiker, Herr Dobrindt, hat in seinem Vorwort zum Abschlussbericht noch einen wunderbaren sprachlichen Perspektivwechsel vollzogen. Statt von „Problemen“ in öffentlichen Bauprojekten zu sprechen, benutzte er die Formulierung „Konflikte“: Deshalb war es ja klug, die Konfliktparteien (Bauleute) zwei Jahre lang in einer Kommis­sion zusammenzubringen, um sie auf mehr Partnerschaft einzuschwören.

Es wäre wünschenswert, wenn die Teilnehmer der Kommission den Mut aufbrächten – und im Sinne einer besseren Baukultur in Deutschland – einfach mal Klartext zu reden. Im politischen Geplänkel sind die Politiker nicht zu schlagen, nur mit Ehrlichkeit und Offenheit. Einer hat dies aus der Not heraus für seine Klientel schon gemacht. Dr. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), kommt in der Berliner Abendzeitung zu Wort: „Es war richtig, dass sich eine hochrangig besetzte Kommission mit den Problemen rund um große Bauprojekte der öffentlichen Hand befasst hat. Leider gehen die Schlussfolgerungen der Kommission, die sich auch in dem Abschlussbericht niederschlagen, in eine völlig falsche Richtung.“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

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